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Marnix Schmidt

Der Zauberhut birgt eine eine Fülle von Ideen

16. oktober 1992

Herman van Veen begeistert im CCW
Warum nur diese zwei,, drei flachen Witze? Warum - vor allem - diese unglaubliche Entgleisung des Abends, als Herman van Veen eine billige Zoll-Nummer abzieht direkt im Anschluß an „Wer?", eines seiner anrührendsten Lieder, worin er ein Kind ohne Kindheit beklagt.


Ansonsten war dieses zweitägige Gastspiel des ideensprühenden Holländers im jeweils gut besuchten Congress Centrum Würzburg zweifellos bereits eines der herausragenden Ereignisse der eben begonnenen Herbst/Wintersaison. Dieser schelmische Harlekin aus den an Showtalenten so reichen Niederlanden, dieser heiter-melancholische Poet mit der mal ganz zart gehauchten, dann wieder mächtig donnernden und dabei stets wohlklingenden Baritonstimme hat mehr als Kaninchen und Konfetti im Zauberhut. Er holt daraus eine solche Fülle verblüffender Ideen hervor, daß sein Publikum auch nach drei Stunden noch nicht genug hat.

Indessen, um elf Uhr war im CCW dennoch endgültig Schluß. Aber welch eine Abgang nach den letzten Klängen von Leonard Cohens „Suzanne“! Zu eigener Musik bzw. jeher von Erik van der Wurff verläßt Herman van Veen den Saal, wie er gekommen ist: durch die Zuschaueirreihen. Begleitet von „Standing ovations“ drückt er Hände, die sich ihm entgegenstrecken, winkt abgespannt, aber glücklich lächelnd in die Runde. Und diese Musi" wenngleich vom Batjd - klingt führt die Besucher bis nach draußen - ganz im Gegensatz; zu den unpassenden Rausschme ßer-Rhythmen, die sonst zumeist den vorangegangenen Konzertgenuß beinträchtigen.

Bei Herman van Veen dauert der Genuß fort, bleibt die - nur durch die bereits erwähnten WNitzchen getrubte Stimmung erhalten, in die er Deutschland“ bis zu Jacques Brels „Marieke“ und - nach der Pause -Weist du wie es wär Publikium gebracht hat. it Gesang, politische ^privaten Bekenntnissen weiter gehen Diskriminierung und auserhalb , gegen Verfolkung und unterdrückung, gegen die Angst und die Mauern in den Herzen, gegen die Zerstörung der Umwelt. Er wirbt für mehr Verständnis, preist die Kraft der Fantasie, ist ungeheuer poöisch und gleich darauf gar heftig. Urplötzlich hüpft, ja fliegt er über die sehr geschmackvoll gestaltete Bühne und er füllt sie stets mit seiner Präsenz, ohne dabei die Mitakteure an den Rand zu drücken: die brillanten Musiker Erik van der Wurff (Klavier, Synthesizer) und Nard Reijnders (Saxofon, Klarinette, Akkordeon), dazu Jolanda Vermeulen und Gaetane Bouchez, die für szenische Assistenz bereitstehen.
Weitere Höhepunkte neben den bereits erwähnten Nummern?

Gewiß das Generationen verbindende Telefongespräch, „Ein Traum“, „Anne“, die Opemparodie, die im reichlichen Zugabenblock a cappella gesungenen „Nasen“, „Ich hab' ein zärtliches Gefühl“, schließlich ein weiteres Brel-Chanson, „Voir un ami pleurer“ (Einen Freund.weinen sehen), diese Anklage wider Krieg, Rassismus und Vogelmord, Kinderleid und Hilflosigkeit.

_ Bemerkenswert auch, wie spontan Herman van Veen reagiert, io bietet er 'zehh vor elf einem neunjährigen Fan einen Entschuldigungszettel für den Lehrer an und lamentiertsen. darüber , einer Nation anzugeftören. die - obwohl elf Millionäre auf dem Platz standen - eben im Fußbailmatch nur 2:2 gegen Polen, »spielt hat. Das ist Entertainment lüre, selbst wenn der eine oder andere Ton aus der Konserve kommt. Bis zu seinem nächsten Gastspiel sollte sich dieser witzig weise vmzig-weWB 'Urenenkel Eulenspiägels , aber nicht wieder vier Jahre Zeit lassen dann wieder ab „Weißt du, wie es War Wer Herman van Veen im CCWversäumt, hat : Heute abend tritt er noch einmal in der Aschaffenburger Unterfrankenhalle auf.



Marnix Schmidt