Frankfurter Allgemeine
HANS RIEBSAMEN

Der Ritter von der Enten-Gestalt

Von Oktober an stellt sich ein Erpel namens Kwak den Fährnissen der Welt

16. September 1990

MAINZ. Ein Enterich will die Welt retten. Er heißt Alfred Jodokus Kwak und sieht einer anderen Ente namens Donald Duck zum Verwechseln ähnlich. Im Gegensatz zu Walt Disneys egoistischem Schnabeltier, das ob seiner Neurosen nicht nur seinen Neffen auf die Nerven fallt, ist Alfred J. Kwak ein menschenfreundlicher Erpel - ein edler Streiter für die Armen und Entrechteten und von daher fast ein Ebenbild seines Schöpfers. Denn auch Herman van Veen, seines Zeichens Entertainer, Sänger und Botschafter des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef), kämpft unverdrossen für eine Welt ohne Armut und Unterdrückung.


Bevor van der Veen und sein Enterich jedoch ihre guten Werke auch in Deutschland verrichten können, mußten sie erstmal einen Prozeß ausfechten. Der Disney-Konzern war nämlich gar nicht erbaut über die Vogelvieh-Konkurrenz und wollte dem Holländer untersagen, Schlüsselanhänger, bunte Hemdchen oder Anstecknadeln mit dem Konterfei Alfred J. Kwaks unters Kindervolk zu bringen.

Das Merchandising-Geschäft, wie die Vermarktung berühmter Figuren neuerdings genannt wird, ist nämlich äußerst lukrativ und füllt die Kassen oft stärker als der Verkauf von Filmrechten. Falls es den Donald Duck-Strategen gelungen wäre, Alfred J. Kwak von Krawatten, Kugelschreibern und Trainingsanzügen fernzuhalten, hätte van der Veen auf erhebliche Einnahmen verzichten müssen. Das Gericht hatte aber ein Einsehen mit dem neuen Enterich, was nicht nur dessen Erfinder zufrieden stimmte, sondern auchUnicef, denn ihr soll ein Gutteil der Gewinne zufließen.

Nun aber genug der unerfreulichen juristischen Auseinandersetzungen und vorausgeblickt auf die glänzende Zukunft, die Alfred J. Kwak vermutlich beschert sein wird. Am Samstag, dem 13. Oktober, wird der Ritter mit den Entenfedern seinen Kampf gegen die Fährnisse der Welt im 2. Programm aufnehmen. Um 16.35 - dies ist Kwaks wöchentlicher samstäglicher Auftritt - erfahren die kleinen und großen Zuschauer, wie die Entendame Anna dem feschen Erpel Johann den Kopf verdreht. Frucht ihrer Vermählung sind sieben prächtige Eier, aus denen wiederum sieben niedliche Entlein entschlüpfen.

So glücklich mögen Geschichten im Märchenbuch enden, doch van der Veen will kein Märchenonkel sein. In der zweiten Folge ist’s vorbei mit dem Familienglück: Ein heranrasendes Auto zerstört die Idylle. Lediglich Jungerpel Alfred J. Kwak überlebt - ein armes Waisentierchen, dem von nun an Maulwurf Henk als Ersatzvater beisteht. Er beschützt den Kleinen vor den Gefahren der Welt, insbesondere vor dem bösen Kra, der ein Mischling mit einer Amsel als Mutter und einem Raben als Vater ist.

Die Anspielung auf nicht rassenreine Ehen im Nationalsozialismus ist gewollt, wirkt aber keineswegs aufdringlich. Kra, eine Mixtur aus Hitler, Stalin, Pinochet und anderen Finsterlingen, hat sich einst einen Flügel gebrochen. Wenn er sein lädiertes Gliedmaß hebt, sieht das verdächtig nach Deutschem Gruß aus. Die dunklen Seiten der Geschichte wie auch die Übel der heutigen Welt werden also nicht ausgespart, van der Veens Absicht ist es geradezu, die Zuschauer mit der Alltagswirklichkeit zu konfrontieren.

Am deutlichsten tritt des Autors weltverbessernde Absicht in der Folge 20 zutage. Im Traum wird Alfred J. Kwak von einem Zauberpferd in die Wüste entführt. Dort entdeckt die Ente, haib verhungert und verdurstet, ein Dorf, das wegen der Dürre im Sterben liegt. Plötzlich kommen Flugzeuge angeschossen, die Hilfsgüter abwerfen. Doch das Milchpulver, das den armen Wüstenmenschen zuteil wird, nützt keinem, weil zur Zubereitung eines Milchtranks Wasser fehlt. Aufgewacht aus seinem Albtraum, beschließt Alfred J. Kwak, den Wüstenbewohnern zu helfen. Er will einen Kanal von Großwasserland in die ausgetrocknete Wüste bauen, und beginnt sofort damit. Geld für dieses Projekt zu sammeln.

Politisierung von Kindergeschichten mögen Kritiker van der Veens Zeichentrickfilme abkanzeln. Doch dieses Urteil wäre zu vorschnell und auch ungerecht. Die Kwaks-Abenteuer sorgen für Spannung, sind anspruchsvoll, dennoch verständlich und entbehren jener Zeigefingerattitüde, die manch gutgemeintes Kinderbuch so unerträglich macht. Die kritische Aussage an manchen Stellen fügt sich gam bruchlos in das unterhaltende Geschehen ein, wie die oben erwähnte Sequenz mit den Hilfslieferungen zeigt. Bomben gleich krachen die Milchpulversäcke auf das Dorf nieder, die Bewohner nehmen aus gutem Grund schon beim ersten Anzeichen der Luftinvasion reißaus. So augenfällig kann man die oft widersinnige und nutzlose Entwicklungshilfe karikieren.

Daß Alfred J. Kwak das kindliche Gemüt trotz oder gerade wegen seinei menschheitsbeglückenden Ader anspricht hat sich in den Niederlanden gezeigt. Don rangieren in der Videohitliste fünf Folger der Serie unter den ersten Zehn. Kwak Kra, Henk und andere Tiere aus dei Zeichentrickfolge sind in Holland zi wahren Helden avanciert, Kinder identifizieren sich mit den Figuren, schlüpfen ir deren Kostüme und ahmen sie nach.

Dabei ging die Initiative zu eine: Verfilmung der von dem jungen Graphi ker Harald Siepermann gezeichneten Co micgeschichten vom ZDF aus. Die Main zer Fernsehanstalt hat einen guten Teil zi jenen 40 Millionen Mark beigetragen, dii die Produktion'kostete. Das restliche Geld besorgte der amerikanische Produzen Dennis Livson unter anderem bei japanischen Fernsehgesellschaften.

Wegen des Erfolgs muß er sich keim Sorgen mehr machen, haben doch Fern sehanstalten in Italien, Frankreich, Eng land und Arabien die 52 Teile der Serie schon gekauft. Nur in den Vereinigte Staaten hapert es noch, schließlich fürchtet Walt Disney unliebsame Konkurren für seinen Donald. Der gute Kwak gegei den neurotischen Duck - das gibt sicherlich noch einen spannenden Wettkampf.



HANS RIEBSAMEN