RHEIN-ZEITUNG
Michael Altenhenne

Ins Innere gelauscht

Künstler auf der Durchreise: Ovationen für Herman van Veen

16 maerz 1992

KOBLENZ. Mit Koffer, Mantel und Regenschirm wehte es am Wochenende einen großen europäischen Entertainer auf die Bühne der ausverkauften Rhein-Mosel-Halle Koblenz: Herman van Veen tourt nach selbst auferlegter Bühnenabstinenz wieder durch Deutschland. Ein Künstler auf der Durchreise - kein Show-Star, aber ein Mensch, der süchtig macht.


Sänger Chansonnier, Poet, Philosoph und Zauberer - Herman van Veen vereinigt sie alle in sich. Die schillernde Persönlichkeit des so unaufdringlich eindringlichen Holländers nahm die Fans an diesem Abend gefangen. Ein Künstler, der das Leben mit Liedern malt, in allen Tönen und Stimmungen, mit Vorliebe krass kontrastiert.

Herman van Veen ließ für sein Publikum ein Wechselbad der Gefühle ein. Warmherzig und kaltschnäuzig, mutlos und übermütig zerstörte der Mitvierziger, der sich „wie zwölf fühlt“, stets seine selbst produzierten Stimmungen: Ein Kind, das Seifenblasen aufsteigen läßt und sie wieder zerklatscht.

Dabei ist es nicht nur der Softie und Träumer, der mit geschlossenen Augen ins Innere lauscht und mit seinen Lieder das eigene Tagebuch vertont. Van Veen hat auch eine Antenne für grundsätzliche Probleme unserer Welt. Seine Kritik ist nicht plump, kommt aber plötzlich: Während er auf den Bongos den Dschungel-Beat vorgibt, stürzt auf einmal - knirschend und in gewaltiger Lautstärke - ein Baum aus den Boxen in die Reihen der Zuhörer. Der Schock sitzt.

Van Veens charismatische Stimme und seine von Bildern überquellenden Texte brennen sich ins Gedächtnis. Hunderte von Fans zollten dem Allround-Talent leidenschaftliche, stehende Ovationen. Der Magier lüftet bescheiden den Hut und, greift zum Mantel -

ein Künstler auf der Durchreise.



Michael Altenhenne