Wolfenbutter Zeitung
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"Ich habe ein zärtliches Gefühl für den, der sich zu träumen wagt.

Herman van Veen inszenierte Herman van Veen

16 jan 1986

Er wurde mit einem Applaus empfangen, den andere Künstler erst kurz vor der Zugabe erhalten: Herman van Veen hatte seine große Fangemeinde in der Braunschweiger Stadthalle um sich versammelt. Er inszenierte Herman van Veen, und der Abend wurde zu einer hervorragenden Inszenierung.


Zum Intro seiner Musikfabel von der Ente Jodocus Quak stellte van Veen, der aus dem Publikum heraus die Bühne erstieg, zunächst seine Begleitband vor, die von Erik van der Wurff geleitet wurde.

Mit der „Reise nach Jerusalem” in flämischer Sprache begann er sein eigentliches Musikprogramm, dem sich als erstes deutsch gesungenes Lied die „Klage” von seiner neuesten Langspielplatte „Auf dem Weg zu dir" anschloß.

Zuvor hatte er dem von Anfang an begeistert mitgehenden Publikum in der ausverkauften Braunschweiger Stadthalle in einem Telefongespräch mit seinem holländischen Opa den Unterschied der deutschen („ein Dialekt des Flämischen") und der holländischen Sprache und den Unterschied zwischen den beiden deutschen Staaten „erklärt”: „In der DDR gibt es viele gute Sportler und einen Stacheldraht, und hier gibt es viel Geld und viele Imbißbuden.”

Herman van Veen wird in seinen Aussagen immer politischer. Diese Feststellung, die in den früheren Jahren nur bedingt zutraf, spürte man schon bei den ersten Aktivitäten des holländischen Entertainers auf der Bühne.
Seine bereits aus dem Vorjahr bekannte Zaubernummer mit Tischtennisbällen gehört da sicherlich zu den Ausnahmen. Fast sämtliche anderen Nummern hatten dagegen politische Anspielungen, die van Veen jedoch immer wieder durch paradoxe Handlungen oder Aussagen relativiert, zumindest für den Zuschauer.

Sein Verhältnis zu Gott, mit Aussagen, die im Publikum zum Teil auf Verwunderung stießen, aber gleichzeitig mit einer sehr hörenswerten Interpretation eines Kirchenliedes, in dem er Gott vorhält, was alles in seinem Namen auf der Welt geschieht, und sein Verhältnis zum Tode, das in dem Aufruf „Das kann doch nicht alles gewesen sein” endet, waren weitere thematische Schwerpunkte seines diesjährigen Konzertprogramms.

Zu allen drei Themen gelang es van Veen, sowohl stille, fast schon meditative Momente zu schaffen, vor allem durch seine Lieder und Gedichte, als auch ironische bis ins Sarkastische gesteigerte Passagen zu integrieren. Letzteres gelang ihm vor allem durch seine schauspielerischen und pantomimischen Fähigkeiten, die vor allem auch bei der Pausenankündigung „Ich traue mich nicht” und beim „Tennisspieler" voll zur Geltung kamen.

Wenn es den Begriff eines „Theaterkünstlers" nicht bereits vorher gegeben hätte, dann hätte man ihn für Herman van Veen prägen müssen. Sein Programm ist so abwechlungsreich, daß kaum ein anderer Entertainer ihm die Obstschale reichen kann.

Seinem Schlußsong „Ich habe ein zärtliches Gefühl für den, der sich zu träumen wagt” konnte sich das Publikum in bezug auf seine Person nur vollj anschließen. Am heutigen Donnerstag steht da letzte Gastspiel von Herman van Veen in der Braunschweiger Stadthalle auf dem Programm. Einige Karten sind noch an der Abendkasse zu erhalten



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