General-Anzeiger
Thomas Wittke i

Die fernsehkritik:

Anspruchsvoll

15 nov 1984

ZDF, Do.: Herman van Veen 150 Auftritte hat er während einer Deutschland-Tournee absolviert. Das ZDF versuchte einen Teil der Atmosphäre über den Bildschirm zu transportieren, den ein sympathischer Entertainer mit Clownsglatze und Narrennase verbreitet Vorgestellt wurde ein Magier und ein Mittler von Frieden und Zärtlichkeit:Herman van Veen.


Ein Leckerbissen war die Live-Sendung aus Mainz allemal. Van Veen zauberte, parodierte, bisweilen spitz, manchmal auch klischeehaft.
Seine Imitation des typischen Amerikaners, der mit breitem Keep-Smiling bereit ist, die übrige Welt in die Luft zu jagen, wirkte überzogen.

Seine Absicht, "Signale" zu setzen, erstickte manchmal in massiver politischer Botschaft Einseitig wurde er dabei aber nicht Sein Symbol - der rote Ballon, der die Welt bedeutet - umfaßt einen universellen Friedensbegriff.

Van Veen setzte trotzdem beeindruckende Akzente. Ob in seinem schlichten Tanz mit niederländischen Holzschuhen, als durchschnittlicher Zauberkünstler, der selbst bei kleinen Tricks seine Schwächen nicht verbergen kann oder als Ausländer, der Arbeit sucht " - die Mischung war gekonnt Zu kurz kam in dem ' Live-Mitschnitt sein beträchtliches Repertoire an Songs, das er auf früheren Tourneen und auf seinen Langspielplatten stärker betont hat.
Seine Ode an Edith Piaf, oder sein - mit weicher Stimme vorgetragenes - Erich Kästner nachempfundenes Lied einer schwindenden Liebe waren zweifellos Höhepunkte in dem Programm, das von einer umfangreichen Bühnen-Show begleitet wurde.

Ausgesprochenes Lob verdient die Bildführung des ZDF, die profihaft und präzise auf die Aussagen des Entertainers abgestellt war. "Live-Übertragungen" populärer Künstler sind für den Zuschauer attraktiv, auch wenn sie zu später (zu später) Stunde über die Mattscheibe flimmern.
Van Veen erfüllte jedenfalls alle Voraussetzungen für 90 Minuten anspruchsvoller Unterhaltungskunst, die bei den Zuschauern nachdenklichen Beifall fand.

Wenig Souveränität bewiesen die Mainzelmänner freilich, als sie den Künstler mitten während der Zugaben wegen Überschreitung der naqhmitternächtlichen Sendezeit stoppten.



Thomas Wittke i