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Ilka Petermann

Welt- und Seelenreise

Herman van Veen in Dresden: clownesk und politisch

15. Marz 1993

Da ist gleich zu Beginn des Programmes das Grand Hotel-Lied „... Auf einer Mauer les ich über deutsche Prosa rassistische Graffiti und Sieg Heil, willkommen im Grand Hotei Deutschland“. Und in dem Lied „Du weiß nicht was du siehst“ sind die Frau mit dem Krebsgeschwür und der Mann, der im KZ war. Ist Herman van Veen ein trauriger Clown geworden? - „Nein, aber das Konzert wirkt hier überraschend ernst. Es ist nicht viel anders, als beispielsweise in Hannover oder Düsseldorf. Ich habe diese Vorstellung für Deutschland geschrieben, weil alle diese Themen Deutschland betreffen. In bestimmten Regionen kann man darüber lachen, aber hier ist es eine echte Kommunikation.“


Aber van Veen wäre nicht er selbst, wenn es da nicht noch die andere Seite gäbe, die lustige. Mit Hilfe eines „Anlaufes über das Clownsein“ findet er zurück in seine eigene Kindheit: „Dann gehe ich zurück und bin völlig frei und plaudere absoluten Blödsinn. Und immer, wenn ich in dieser Rolle bin, improvisiere ich. Danach wird es leichter, diese harten gesellschaftlichen Analysen zu singen. Es ist für mich absolut notwenig.“
Und dieses Gleichgewicht ist es, welches das Programm Herman van Veens auszeichnet. Die lustigen, verspielten Nummern wechseln mit traurigen, ernsten, nachdenklichen undgefühl-vollen. Dabei ist immer das Publikum mit einbezogen. Dies r Künstler arbeitet nicht nur eine bestimmte Reihenfolge von Nummern ab. Er improvisiert aus der jeweiligen Situation heraus und reißt das Publikum mit. So warnt er vor dem Nachf hmen des Rufes eines seltenen Urv .dvo-gels das weibliche Publikum, denn sobald dieser Ruf ertönt, fliegen den Damen und Mädchen die Tampons weg. Prompt kommt aus den vorderen Reihen ein solcher auf die Bühne geflogen (im eingepackten Zustand) und van Veen Reagiert mit „Den mußt Du aber erst noch auspacken“ und tut dies. Als er, auf einem überdimensionalen Telefonhörer sitzend, ein gespieltes Gespräch mit seiner Mutter und seinem Kind führt, beginnt im Saal ein Baby zu schreien - sofort bezieht van Veen dieses Geräusch in das Telefongespräch mit ein. Das Dresdner Publikum war begeistert von dieser phantastischen Reise und zeigte es mit donnerndem Applaus.



Ilka Petermann