Rhein-Neckar-Zeitung
Joachim Tiehl

Zärtliche Komik

Herman van Veen gastierte im Mannheimer Mozartsaal

15 mrz 1986

„Es wurde mein Leben. Musik machen und singen, tanzen und erzählen“: Zeilen aus einem Lied eines der ganz großen Sängerpoeten, der seit fast zwanzig Jahren auch als Clown, Zauberer und Theaterkünstler zu begeistern vermag: Herman van Veen. Kaum ein anderer verzaubert so schnell Hunderte oder Tausende, die in sein Konzert strömen. Das Publikum im ausverkauften Mozartsaal in Mannheim erlebte einen Künstler, für den immer noch gilt: „Ich hab' ein zärtliches Gefühl ... für jeden Menschen, wenn er nur vollkommen wehrlos lieben kann."


Unerwartet betritt der schlanke, große Sänger mit der charakteristischen Glatze, schwarz mit weißen Schuhen gekleidet, aus der Mitte des Saales die Bühne, stellt Koffer mit Teddybär ab und nach kurzem musikalischem Auftakt seine Gruppe vor: Erik van der Wurff (Synthesizers), Nard Reijnders (Sax, Klarinette, Akkordeon), Chris Lookers (Gitarre) und Cees van der Laarse (Baßgitarre).

Schnell stellt Herman van Veen die ihm so eigene „Unter-vier-Augen-Atmosphäre" her, indem er ein junges Mädchen nach ihrem Alter fragt. „19." - „Ich bin 40. Mit 40 sollte man in sich gehen und nicht mehr zurückkehren!" Schon ist er dem Publikum nahe, kann es an die Hand nehmen und mit seiner vollendet ausgebildeten Stimme, unterstützt durch zarte Panflöten-Klänge, in sein geheimnisvolles Reich mitnehmen, wo Mann oder Frau lustig, traurig und auch trotzig sein können.

Sensibilisieren will er, manchmal auch kritisch, für die kurzen Momente im Leben, in denen das Glück verborgen liegt. Herman van Veen horcht in die Kinderseele hinein (selbst Vater von vier eigenen und fünf adoptierten Kindern), zärtlich vermittelt er die Empfindungen zwischen Papa und Sohn während eines Telephongesprächs träumt laut davon, auch einmal schwanger zu sein (erstauntes Lachen bei den Zuschauerinnen), kann Ernstes ungemein heb sagen: „Junger Akademiker sucht Job . .. oder Frau ... mit Job.“
Bevor man richtig nachdenklich werden kann, reißt seine Clown-Nummer mit den 55 Bällen die Menschen im Saal aus allen Träumen: Einen Ping-Pong-Ball zwischen den Stimmbändern, kommentiert er mit hoher Fistel-Stimme seine (gelungen mißglückten) Zaubereien, das Lied „Klitschnasse Clowns" geht unvermittelt in einen Militärmarsch über, und schon ist ein kleines Puppenstück entstanden.

Eben noch furchterregende Grimassen in einer großen Kiste schneidend, verwandelt sich Herman unter den Klängen seiner Band zu einem Boxer, hinter dessen exaltierter Aggressivität zusehends ein ängstlicher, schutz-bedürftiger Mensch erscheint.
Und nun zum Höhepunkt in den komischen Rollen des Holländers aus Utrecht: Herman van Veen als Tennis-Superstar B. B. Lach-Tränen steigen einem in die Augen, als er erstaunlich echt im Zeitlupentempo das Spiel dieses deutschen Wunderknaben imitiert. Wirklich, selten so gelacht!

Van Veens Show besticht und fasziniert durch erstklassiges musikalisches Arrangement (besonders die Soli am Sax), durch eine bis ins Detail ausgefeilte Choreographie (Regie) sowie durch den virtuosen Gesang dieses nicht nur zärtlich wirkenden Mannes; die Zeichen der Zeit sind, manche werden es bedauert haben, auch in sein Programm eingeflossen.

Kaum jemand wollte gehen: Erst nach sechs Zugaben - darunter das schon ältere, wunderschöne Lied vom „Kleinen Fratz" -kam der Abschied.

Leicht hat es einem der „fliegende Holländer" nicht gemacht.



Joachim Tiehl