Kölner Stadt-Anzeiger
Martin Oehlen

Herman van Veen eröffnete das dritte Internationale Liederfestival in Köln
Sehnsucht nach dem Positiven

Gefeiert: der Clown, Sänger, Lyriker

15 mrt 1982

Nun singen sie wieder. Bereits zum dritten Mal findet in diesen Märztagen auf Kölner Theaterbrettern das Internationale Liederfestival statt, das der Westdeutsche Rundfunk gemeinsam mit dem Schauspielfo- rum Kölner Bürger produziert. Da nicht Hinz und Kunz, wohl aber überwiegend namhafte Vertreter der Gattung eingeladen wurden, war der Kartenabsatz kaum ein Problem: das Liederfestival läuft.


Gestartet wurde der Sangesreigen mit Hollands Herman van Veen, der drei Stunden lang im ausverkauften Schauspielhaus agierte. Vom Kind bis zum Senior, vom Latzhosenträger bis zum Bundesforschungsminister drängten sich die Fans in die Stuhlreihen, um den albernden, schäkernden, jammernden, säuselnden, sanften Mann mit der markanten Haarfreiheit auf dem Haupt zu hören und zu sehen.

Erwartungsgemäß strafte van Veen den Titel des Festivals Lügen. Denn "nur" ein Liedermacher ist er beileibe nicht. Jedenfalls läßt sich wesentlicher Spaß auch aus seinen clownesken Darbietungen gewinnen.
Leider brachte er vor der Pause von seinem Komiktalent nur wenig ein. Um so mehr sehnte man sich danach, da seine musikalisch-szenische Präsentation in der ersten Halbzeit zuweilen arg monoton anmutete.

Sicher ist es richtig, gegen Anpasser und Leuteschinder, Heuchler und Kriegstreiber zu singen. Wenn aber jeder zweite Halbsatz davon handelt, wird's ein wenig fad. Befördert wurde die betuliche Atmosphäre zu jenem Zeitpunkt noch durch die flauschige Begleitmusik der dreiköpfigen Band.
Schwung kam in die Veranstaltung, als van Veen nach der Pause häufiger seine amüsanten Seiten zur Schau stellte. Seine Persiflagen auf gängige Musikrichtungen gehörten - neben manch schön Agressivem und auch Zartem - zum Besten des Kölner Abends (an dem er sich aus Versehen einmal in Düsseldorf befindlich glaubte). Als er sich gar als "Spermi Hermi" ausgab, der den Blues singt ("Ha! Ha! Ha! Ha! Hatschi!"), erreichte der Begeisterungspegel beim meist jugendlichen Publikum den maximalen Anschlag.

Zweifellos lohnte sich auch der Lyriker van Veen, der immer wieder vom Kummer der Welt erzählte. Seltener war von ihrer Schönheit die Rede, von der er eine Ahnung hat: "Glaube aufrichtig daran, daß die Welt als Gegebenheit vollkommen und gut ist." Daß die Nutzung dieser Erdkugel durch die Menschen jedoch manches trübt, deutete nicht zuletzt der Maschenzaun an, der im Hintergrund der Bühne aufragte.
Eines seiner schönsten Lieder ("Einsam, zweisam, dreisam"), die allesamt von Thomas Woit- kewitsch ins Deutsche übertragen wurden, sang van Veen nach vielen Zugaben leider erst zu allerletzt, als schon die meisten in die kühle Nacht entflohen waren. Dann aber konnte nichts mehr den schauspielernden Sänger von der Dusche abhalten - auch nicht die letzten Getreuen, die kurz vor Mitternacht ein "Happy Birthday" anstimmten: 37 Jahre alt wurde am Sonntag der große Sanfte, der von Träumern und Aufmüpfigen schwärmt, dem Generäle und Im-Trott-Geher zuwider sind und der sich so sehr sehnt "nach einem positiven Geräusch."



Martin Oehlen