Die Rheinpfalz
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Leise Töne eines Harlekins

Hermann van Veen im Rosengarten: Nicht nur Sänger

14 nov 1981

Von seinen bloß blödelnden Landsmännern, platten Juxbolzen und Possenreißern, die auf bundesdeutschen Mattscheiben zur besten Sendezeit vor nichts- zurückschrekken, trennen ihn Welten. Deshalb war wohl enttäuscht, wer sich von Hermann van Veen bei dessen Auftritt Nonsens am laufenden Band versprach.


Versucht man ein Porträt dieses Holländers zu zeichnen, der jetzt im Mannheimer Rosengarten sein Programm aus alten und neuen Liedern und Texten vorstellte, dann bedarf es feiner Striche und nicht des groben Pinsels. Ein Sänger ist Herman van Veen nur unter anderem.

Artist, Alleinunterhalter, Kabarettist, ausgebildeter Musiker, Pantomime, Schauspieler, Tänzer - von jedem ein wenig und insgesamt doch viel mehr steckt in diesem "fliegenden Holländer", der von der Anziehungskraft der Erde singt. Selbst begreift er sich ("Begreifen kostet nichts") als Harlekin, als Clown. Aber er haut nicht auf die Pauke, sondern schlägt leise Töne an. Sehr subtil und mit Selbstzweifeln gespickt empfiehlt er seinen Zuhörern, die Augen aufzumachen. Denn es gibt mehr als Licht und Schatten, als schwarz und weiß, rot und grün. Die große Kugel, einziges Requisit auf der Bühne neben einem Käfig, die immer wieder in anderen Farbnuancen erscheint, unterlegt sein Anliegen. Wider Konformismus und Trott, wider Abgebrühtheit, wider Gewalt im großen und kleinen ist für Herman van Veen ein Thema.

Die Achtung der Empfindsamen, der Ängstlichen und der Schwachen gehört untrennbar dazu. Randvoll gefüllt mit Fein- und Hintersinnigkeiten sind die Lieder und Spielszenen, wo er Situationen empfindet, wie sie der Alltag etwa zu Einsamkeit und Leid schreibt: "Nicht allein", der "Trommler", "Kehrseite" stehen dafür. Unpolitisch ist er deswegen keineswegs.

Und wenn Herman van Veen überden Präsidenten von den "Veruneinigten Staaten" nachdenkt, dann gerät es zum Lehrstück, denn dem Publikum hält er den Spiegel vor: "Es war mir so klar, daß Sie auf eine so einseitige Bemerkung applaudieren". Er tanzt nicht nach der Pfeife des Publikums. Die Reibung suchend, reibt er den Zuhörern ihre Einseitigkeit unter die Nase und packt sich sogleich selbst am Riech-Organ.

Seine Fähigkeit zum gründlichen Beobachten stellt er mehr als einmal unter Beweis. Am eindrücklichsten wohl in den Parodien auf Elvis Presley oder Brian Ferry, wo er mit spärlichsten Grimassen und Gesten deren Flachheit imitiert und die Idole vom Podest holt.
Ein wenig bedauerlich mag sein, daß bei der Übersetzung der Tekte, die in den meisten Fällen von Rob Chrispijn stammen, die Zwischentöne an manchen Stellen verloren gingen, wie zum Beispiel in dem Lied "Wenn es anders gekommen wäre". Dieser Ballade, mit der Herman van Veen darüber nachdenkt, was alles anders wäre, wenn Hitler noch das Sagen hätte, wurde gegenüber dem Original mancher Zahn gezogen. Nach einem enormen Pensum, dann schließlich der Abgesang in Raten. Die deutsche Version des Brel-Chansons "Ik hou van jou". Und als Schlußpunkt ein Kinderlied. Herman van Veen, dem es Anliegen ist, daß das Kindliche in den Erwachsenen nicht zu kurz kommt und nicht abgetötet wird, schlüpft in die Rolle der Ente Alfred J. Kwak. Das in seiner Muttersprache vorgetragene Kinderlied "speterpieterpater", das er einst zusammen mit dem Den Haager Residentie Orchester aufgenommen hat, enthält auch seine Devise:

"Ich singe für dich, ich singe für sie..."



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