Bergische Landeszeitung
BARBRO SCHUCHARDT

Ein Unterhalter, der Nasenstüber verteilt


Technisch gesehen stand der Tourneeauftakt des holländischen Entertainers Herman van Veen im Kölner Schauspielhaus unter keinem glücklichen Stern: Mehr als einmal fiel sein Mikrofon aus (mit Vorliebe bei lyrischen Passagen), und von den beidseits angebrachten Verstärkern funktionierte überwiegend nur der rechte. Herman van Veen überspielte die Pannen mit lässiger Fassung. Wäre es nicht so offensichtlich gewesen, man hätte derlei Ungemach für Programmplanung halten können. Es hätte sich so schön ins oftmals sur- reale Spiel des hochbegabten Holländers gefügt, der jedes musikalisch-pantomimische Bekenntnis zum Gefühl durch rüde Schlenker abfängt, Hintergründig ohne die Exzentrizität='von Andre Heller, schlicht ohne Reinhard Meys hausbackene Sozialkritik und skurril ohne Ottos künstlerische Derwischtänze, ein Unterhalter ohne liebliche Melodik, dafür aber mit freundlich-aggressiven Nasenstübern - das ist Herman van Veen.


Wie alle internationalen Entertainern ist er vielerlei in einer Person: Dichter, Komponist, Sänger, Schauspieler, Pantomime und Tänzer -o vor allem aber ein mindestens ebenso exzellenter Musiker wie die sechs Mitglieder seiner "Contra-Bband". Virtuos spielen sie mit ausgewohnlichen Klangfarben wie sie etwa eine Begleitung von Querflöte, Gitarre (ungewöhnlich begabt: Harry Sacksioni) und Tuba hervorzuzaubern vermag, lassen einlullende Schnulzensequenzen jäh übergehen in die dissonanten Attacken moderner Musik, stets ihr solides Konservatoriums- Rüstzeug souverän handhabend.

Dabei brilliert Herman van Veen selbst noch ganz nebenbei als ausgezeichneter Violinist - schließlich hat er in Utrecht unverkennbar Geige und Gesang studiert.
Solche Instrumentaleinlagen dienen ihm aber ebenso wie etwa seine komische Pantomime "Beckenbauer in Zeitlupe" oder surreale Geschichten wie die vom Flugzeug und der Wolke nur als lockere Verbindung der einzelnen Lieder, die durch eine ausgeklugelie Lichtregie auch optisch attraktiv werden.

Überlegen spielt der 30jährige mit den Gefühlen seiner Zuschauer; mischt Rührung und Nachdenklichkeit, Lachen und derbe Sexpointen, makabre Operneffekte ("Tod zu verkaufen") und Mitleid.

Nach über zwei Stunden und zveei Zugaben kann er sich immer noch nicht trennen: Er setzt sich ans Schlagzeug und veranstaltet mit zwei Musikern noch eine kleine Beatsession.

Obwohl er den stürmischen Applaus schon seit einer Viertelstunde pantomimisch abwehrt.



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