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Christa Dietrich

Herman van Veens „Ein Holländer“ in Bregenz:

Ein Star zum Anfassen

14 april 1986

Er kam durch den Zuschauerraum auf die Bühne und er verließ die Bühne über den Zuschauerraum, und zwar indem er über die Stühle kletterte, da und dort Hände schüttelte oder einem ebenfalls mit Glatze ausgestatteten Fan sein „Mitgefühl“ ausdrückte. Wegen selbiger wurde Herman van Veen in einem Sketch der Eintritt in die Disko verweigert.


Herman van Veen, Multitalent aus Holland, hat mit seinem neuen Programm, „Ein Holländer“, mit dem er sich zur Zeit auf Österreich-Tournee befindet, sein Publikum, das unermüdlich Zugaben forderte, wieder begeistern können. Er kam, sah und siegte, „Veni, vidi, vici ..der Titel der Kritik in den „VN“ nach seinem Auftritt im letzten Jahr, traf auch diesmal zu.

Sein Programm hat sich in der Präsentation nicht wesentlich geändert. Der Liedermacher wird zum Clown, Pantomimen, Tänzer, Entertainer, Träumer, auf der Bühne gibt es faszinierende Lichteffekte. Die Themen sind die gleichen, Bedrohung, Krieg, Feindseligkeiten, Diskriminierung, Einsamkeit, philosophische Redensarten, die nur für die anderen Gültigkeit haben, Gott, Krieg, Kinder, Phantasie und daneben Blödeleien. Die kindliche Phantasie wird beansprucht, wenn Finger und Tennisball zu Puppentheaterfiguren, ein .Malerkübel zum Helm werden. Naiv verpackt sind seine Botschaften, jedoch unmißverständlich in der Schärfe. Herman van Veen verwandelt sich ständig, schlüpft in neue Rollen.
Der Boxer mit Angst vor dem Gegner wird zum Diskohelden. Eine Stripteasenummer wird zwar nicht beendet, dafür zeigt er als Tennisstar Erotik auf dem Tennisplatz mit strammen blanken Schenkeln und eindeutig plaziertem Tennisschläger. Das Spiel wird sehr schnell zur Realität, manchmal mit ironischer Färbung. Nach seinem Bühnentod, den er nach einem Sprung aus ein paar Zentimeter Höhe -eine politische Höhe - erleidet, stellt er fest, daß er noch so viel zu tun gehabt hätte, nämlich sein Auto zu waschen ... Zitate van Veens:
„Wenn ein Mann einen Mann begehrt, erregen sich die Gemüter, wenn ein Mann einen Mann foltert, kaum. Wenn es einen Gott gibt, so gibt er sich viel Mühe, es zu verbergen. So lange auf der Welt noch ein Mensch vor Hunger stirbt, ist jede Waffe Gotteslästerung. Deutschland liegt zwischen der Sowjetunion und den USA. Das Leben geht weiter, hoffentlich nicht mehr lange, denn Zeit ist Geld.“

Zur Sprache kommt auch die österreichische Vergangenheitsbewältigung und ein ähnliches Thema hat ein Lied zum Inhalt, das Herman van Veen als Zugabe singt, nämlich was wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Fazit: Herman würde auch nicht singen dürfen . . . Zum Schluß bringt er wieder seine Erfolgsnummern, vom zärtlichen Gefühl, der Zweisamkeit, vom kleinen Fratzen und von Edith Piaf.

Vom Bregenzer Publikum hat sich Herman van Veen, der am Samstag abend zum drittenmal das Festspielhaus füllte, für längere Zeit verabschiedet. Ein Umstand, der sich angesichts der großen Fangemeinde hoffentlich nicht bewahrheiten wird, denn das Bedürfnis zu träumen ist groß.



Christa Dietrich