Nurnberger Zeitung
halef

Herman van Veens Gastspiel

Clown käst

14 mrz 1986

Die Holländer sind sehr sympathische Nachbarn. Sie geben ihren ausländischen Mitbürgern jetzt das Kommunalwahlrecht, sie haben als letzte Europäer (schlimm genug) der Aufstellung von Mord-Raketen auf ihrem Territorium zugestimmt, und sie machen einen guten Käse. Herman van Veen ist ein Holländer und hat sein neues Tournee-Programm auch so genannt. Er ist sympathisch, hat sein zärtliches Gefühl sicher auch für Gastarbeiter, ist ganz bestimmt gegen Marschflugkörper. Doch der Produktion von Käse kann auch er nicht immer entgehen.


Bei seinem Gastspiel in der Meistersingerhalle käste er vor allem nach der Pause. Da verläpperte er die intensive Zuneigung, die er ausstrahlen und als Künstler vom Publikum wieder annehmen kann mit dünnen Disco- und Rockparodien, überzeugte erst als Tennisspieler, vor allem in Zeitlupe, blieb unklar in seinem Engagement. Zu Beginn des zweiten Teils wurde ein hörenswerter Text zur Übervölkerung des Planeten in Show-Bombastik verspielt. Van Veens Probleme mit dem Tod, den er zuerst die Schwiegermutter ausprobieren lassen will, dann selbst erleidet, einsam wird, schizophren wird („Ich, wo bist du?“), bleiben unscharf; sein Ein-Mann-Theater verkommt in Momenten zur Hampelei.

Sind es überhaupt van Veens Probleme? Seine Stärke ist, daß er so überzeugend wirkt, daß viele Zuschauer den Eindruck haben, da kehrt einer seine Seele nach außen. Es ist die Seele eines Melancholikers. Der Holländer betrifft und wirkt immer, wenn er mit schwarzem Seelenschmerz auf die Welt und seine Mitmenschen schaut und von ihnen berichtet und singt. Da wird er verwandt mit dem Tucholsky, der die dunkelgelben Straßen kleinbürgerlicher Liebes-Krisen, mit dem Erich Kästner, der die trüben Momente menschlicher Resignation genau beobachtet hat. Herman van Veen, der die Flügel der Brummfliege mit denen einer Concorde vergleicht und die Menschenschöpfung belächelt, Herman van Veen, der über die „ironische Freiheit“ reflektiert, die sein vielumdachter Gott uns gibt, Herman van Veen, der zu diesem Gott betet.

Diesmal aber hat er lieber den grellen Clown herausgekehrt, hat auch die Technik übermäßig strapaziert, die Musik so„ laut arrangiert, daß Nachdenklichkeit oft überdröhnt wurde. Hall-Effekte, große Orchesterklänge vom Band, Neufassung alter Melodien, die plötzlich mit Saxophon-Solo an Peter Maffay erinnern, Scheinwerfer-Power, all das stülpt er sich über wie den zu großen Mantel des Zirkus-August. Und darin verschwindet er dann. Und taucht erst wieder bei den Zugaben auf, dicht, ergreifend, menschlich und sympathisch.



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