Stendaler Volksstimme
Birgit Ahlert

Die Volksstimme präsentierte Herman van Veen / Der Holländer wurde in der Magdeburger Stadthalle über drei Stunden lang gefeiert

"Ich singe über das, was mich in meinem Herzen bewegt"

14 feb 1998

Magdeburg. Bereits zum dritten Mal kam Herman van Veen nach Magdeburg. Am Donnerstagabend wurde er auf seiner ,.Nachbar"-Tournee in der : Stadthalle stürmisch gefeiert. Auch der Holländer war begeistert vom Publikum und versicherte: "Es war sehr schön, wieder in Magdeburg zu sein!"


"Ich gehöre zu einer aussterbenden Gattung", sagt Herman van Veen, Mit seiner Kunst steht er ziemlich allein auf weiter Flur , kaum ein Künstler getraut es sich - oder kann es? - zwischen den Genres zu schwelgen wie er, die Bühne zur Erlebniswelt der Gefühle zu verwandeln. "Heute geht es nur um Medienpräsenz, Einschaltquoten, besser, höher, weiter", sinniert er im Volksstimme-Gespräch. Doch gerade darüber macht sich Herman van Veen überhaupt keine Gedanken.
"Ich habe noch nie einen Hit gelandet", formuliert er das Unglaubliche, denn "trotzdem kennen alle meine Lieder." In Hitparaden ist er nie auf Platz 1 gewesen, aber der erste Platz im Herzen der Menschen ist ihm sicher.

Und wichtiger. Darum lieben ihn seine Fans. Das bewiesen sie in Magdeburg, feierten den Mann mit der faszinierenden Ausstrahlung - und selbst nach dreistündigem Konzert wollten sie ihren Herman nicht von der Bühne lassen.

Das Gastspiel des Holländers war ein Konzert mit Schauspiel, Kabarett, Comedy, Magie - vor allem jedoch ein Abend des Zusammenseins. Künstler und Publikum trafen sich wie alte Freunde, verstanden sich von Beginn an. Der Mann auf der Bühne ist mal Clown, mal Poet, ist Philosoph und Opernsänger.
Bemerkenswert, wie van Veen singt, schreit, flüstert, sich inszeniert, über die Bühne schreitet, hüpft, rennt. Ein Energiebündel ohne gleichen. Auch nach dem Konzert sieht man ihm keine Erschöpfung an. Doch winkt er lachend ab: "Ich bin nicht fit. Was denkst Du, was ich sehe, wenn ich morgens nach dem Aufstehen in den Spiegel guck' - Du, das glaubst Du nicht!"

Van Veen zwischen Vergnügen und Nachdenklichkeit. Er beherrscht es wie kein anderer.
Grenzen verschwinden zu lassen, gleichzeitig Lachen und Weinen zu bringen. Dabei scheint er keine Tabus zu kennen. Er stellt den Hirnkranken Opa im Schaukelstuhl dar und sinniert über den Baby-Boom ("in jeder Sekunde werden fünf Babys geboren - das bedeutet, in 20 Jahren können wir nicht mehr über die Straße gehen ohne auf Babys zu treten..."). Jedes Mal schafft er es, vom Bitterbösen zum erlösenden Aha-Effekt zu kommen, umschifft die Klippe zur Gemeinheit charmant und mit Hintersinn.

Denn er wartet auf den Tag, an dem der Papst Kondome verteilt, als Beispiel von Menschenliebe. Van Veen sagt, was er meint, nennt beim Wort, was andere geniert verschweigen. Ob es um den unterschiedlichen Wuchs der weiblichen Brust geht oder das, was der Mann in der Hose hat, ob es um den Tod geht oder die "dunklen Seiten" des Lebens - er sagt, wie's ist, ohne Schnörkel. Und er wünscht sich, daß wir Menschen einander mehr Toleranz entgegen bringen. Denn "egal ob in Deutschland oder in Holland oder sonstwo auf der Welt - die Menschen bringen einander immer weniger Verständnis entgegen", bedauert Herman van Veen. Jeder steht für sich allein. Der "Nachbar" hat kein Gesicht.
Menschlich sind wir erst, wenn "Fatima" nicht mehr weint. "Du bist anders anders", singt van Veen, und wünscht sich, daß Anderssein keiner Erklärung mehr bedarf.

Und doch gibt er sich nicht der Illusion hin, daß seine Lieder große Veränderung bewirken. "Ich bin Unterhalter", sagt er. "Ich singe über das, was mich in meinem Herzen bewegt. Was die Leute daraus machen, kann ich nicht beeinflussen." Wie sicher er Herz und Seele seines Publikums damit trifft, zeigten die überschwenglichen Reaktionen in Magdeburg, Beifall, Präsente, und viele, viele Blumen.

Ein unvergeßlicher Abend. Bestimmt nicht der letzte mit Herman van Veen in der Elbestadt. Er hat viele Pläne. Seinen Kinderliebling, die Ente Alfred J. Quack, will er als Musical auf die Bühne bringen. Vielleicht schon im nächsten Jahr. Außerdem soll es einen Kinofilm geben und 52 neue Folgen fürs Fernsehen. Und Herman will sich einen Wunsch erfüllen: Ein neues Konzert, das bereits in seinem Kopf besteht, will er auf die Bühne bringen. "Ich sehe es wie ein Deja-vu bereits vor mir."

Dann hoffentlich auch in Magdeburg.



Birgit Ahlert