Nürnberger Zeitung
RSp

Schwebender Holländer mit Tiefgang

Der Auftritt des Clowns und kahlen Sängers Herman van Veen in der Meistersingerhalle

14 jan 1982

Eine große Scheibe hängt über dem Klavier. Sie dient, je nach Beleuchtung, mal als bleichblauer Mond und mal als feuerrote Sonne. Es bleibt unklar, was sie eigentlich da oben soll, außer Blicke fangen.


Herman van Veen, der am Dienstagabend für eine ausverkaufte Meistersingerhalle sorgte, hat und tut so allerhand, was Blicke fängt: krabbelt auf dem Boden herum, klettert gewandt wie ein Orang-Utan auf einem Zaun am hinteren Bühnenende herum und gibt sich mit Armbewegungen wie von Adlerschwingen als schwebender Holländer. Es passiert viel auf der Bühne, man wird optisch unterhalten.

Der gebürtige Utrechter hat das auch nötig. Zwar wirken seine Lieder live viel besser als auf den Platten, aber sie bleiben eintönig, beinah langweilig. Alle sind getragen, träumerisch, und die Instrumentierung (Arrangements von Eric van der Wurff) wechselt kaum: Ein sanftes elektrisches Klavier oder ein dezent klimpernder Flügel, einschmeichelnde Saxophonphrasen, verhaltene Funky-Klänge vom Baß - das ist van Veens musikalischer Hintergrund. Der Star greift ab und an zurückhaltend zur Geige - die er ganz gut spielt - oder legt eine zart® Stimme behutsam ins flauschig-weiche Klangbett. Das kommt alles sehr gut an - und nicht ganz umsonst. Die Stimme ist sehr gut trainiert.

Schade nur, daß die Musiker (Eric van der Wurff, Cees van der Laarse und Eelco Coster) nicht aus sich herausgehen durften.

Textlich ist Herman van Veen ebenso verträumt wie musikalisch. Da mischt sich privat-bescheidener Tiefsinn mit fein ausgedrückter Volksweisheit: "Einsam / Zweisam / Dreisam und am Ende doch allein / Es hat doch auch was für sich / Ganz für sich zu sein". Oder " ... es muß nichtsdestotrotz / auf einen groben Klotz / Nicht immer nur grober Keil gehören". Aber van Veen wird auch mal politisch, etwa in seinem Lied "Am Bismarck-Denkmal": "Nehmt den erstbesten Bonzen / Setzt den Gockel / Auf einen hohen Sockel / Dann donnert er im Laufe der Zeit / Durch eine kleine Schlampigkeit / Von selbst nach unten". Leider versteckt er diesen klaren Text in allzu schwummeriger Musik.

Auch die aktuellen politischen Ereignisse lassen den Utrechter anscheinend nicht kalt. Er hat ein Lied für Polen im Programm ("Janek Wischnewski fiel") und bekennt sich zu seiner Angst vor der ständigen Aufrüstung: "Überall stehen Raketen".

Zwischendurch unterbricht der besorgte Herman seine Melancholie, macht Slapstick, verarscht sich selbst mit Playback-Einspielungen. "Ich bin ein Clown, ein Harlekin, ein kahler Sänger", singt er und klatscht sich auf die Glatze. Solche Kleinigkeiten, die scheinbar nicht zum Programm gehören, sind seine Stärke. Man kann sehr viel lachen über den Clown. Und manchmal bleibt das Lachen im Halse stecken: "Merke: Wenn ein Mann andere totschießen will, schießt er damit nur sich selber tot. Man denke nur an Präsident Reagan von den Verunreinigten Staaten von Amerika", wirft van Veen zwischendurch ein; auf zustimmendes Klatschen antwortet er dann: "Klar, daß Sie bei einer so einseitigen Bemerkung applaudieren".

Doch dann, wenn man schon fast überzeugt ist, starke Unterhaltung geboten zu bekommen, fällt das Niveau wieder auf plumpe Showeinlagen - etwa eine Rock 'n' -Roller-Parodie auf irgendwas zwischen Elvis und Bill Haley die dem Holländer nichts als naive Lacher bringt.

Ein Opfer seines Geschäfts?



R S p