Munsterische Zeitung
VOLKER WASMUTH

Ein clownesker Kabarettist erhebt bissige Zeitanklage

Herman van Veen gastierte in der ausverkauften Halle Münsterland

13 dec 1984

Münster. Ohne Hast flaniert er durch den Zuschauerraum, ist mit einem Satz auf der, Bühne. Nur das Blond seines spärlichen Haarkranzes kontrapunktiert seine tiefschwarze Kleidung. Vor dem schlichtschönen Bühnenbild - eine Komposition aus beruhigendem Blau und einem honiggelb angestrahlten Riesenballon-öffnet er den umgehängten Geigenkasten und entlockt seinem Instrument hypnotisierend-schwermütige Melodien, um dann mit einem witzelnden Luftsprung alles wieder einzufangen. Im Rahmen seiner Tournee „Signale“ gastierte jetzt Herman van Veen in der ausverkauften Halle Münsterland, wo ihn ein Kennerpublikum dreieinviertel Stunden lang enthusiastisch feierte.


Der 39jährige Holländer ist Sänger, Poet, Harlekin und sensibler Träumer, einfühlsamer Liebhaber, clownesker Kabarettist und introvertierter Romantiker in einer Person. Seine Vorträge werden zu bissigen Zeitanklagen: Da bewirbt er sich - eine abgewetzte Aktentasche in der linken, ein Fahrrad in der rechten Hand - um eine Stelle, wird aber, durch abblendende Scheinwerfer symbolisiert, (stets abgewiesen und kann seinen Kindern nur seine eigene Überflüssigkeit dokumentieren: „Euer Vater hat heute nur eine ganze Schachtel Spekulatius leergegessen.“
Da setzt er witzig-entblößebde Akzente: „Ich wollte immer schon Priester werden, nur kein katholischer, da kann man nie schmusen.“

Plötzlich blitzen grelle Scheinwerfer durch das Hallenrund, auf jaulende Verstärker und Bühnendonner begleiten das Niedersinken des angestrahlten Ballons. Van Veen, als Offizier verkleidet, sucht Schutz in einem Kinderwagen, Glockengeläut verstärkt das beklemmende Gefühl - wohl-1 tuend, daß der Künstler Zeitprobleme nicht vor den Konzerttoren zurückläßt, noch immer ist er fest entschlossen, „durch Singen die Welt zu verbessern“. Was als Träumerei anmutet, führt er mit ungekünstelter Lebendigkeit vor: Als realistischer Optimist, der nicht auf dem fliegenden Teppich der Subjektivität im prophetischen Dämmerlicht entschwindet.

Er ist ständig in Bewegung, springt wie ein Tennisball von links nach rechts, robbt durch Zuschauerreihen, springt unvermittelt auf und tänzelt mit eleganten Schrittfolgen im Kreis, um dann beinahe selbstverständlich in lyrische Ruhe zu versinken. Von den musikalisch hochkarätigen Erik van der Wurf (Keyboards), Nard Reijnders (Saxophon), Cees van der Laarse (Baß) und Chris Lookers (Gitarre) einfühlsam begleitet, singt van Veen Lieder voll sprachlicher Schönheit („Ich lieb’ dich noch nach all der langen Zeit“), greift Beziehungskrisen auf und formuliert feinsinnige Beobachtungen.

Bei den letzten seiner sieben Zugaben "verbreitet er einen Hauch vön privater Atmosphäre: Im blütenweißen Bademantel singt er zu Klavierbegleitung für die bis, zuletzt ausharrenden Fans.



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