Weinheimer Nachrichten
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Das Phänomen van Veen

Der eigenwillige Interpret aus Holland war in Mannheim

13 nov 1981

Seine Reime sind mehr als nur Allerwelts-Vierzeiler, seine Stimme ist leise, eindringlich,- er streift die leid- und liebesgeprüften Themen der Menschheit, doch er bleibt nicht an der Oberfläche. Allerdings muß man ihm, Hermann van Veen, sehr aufmerksam zuhören, um seinen Aufforderungen, Fragen und Vorwürfen folgen zu können. Er serviert keine leicht zugängliche Kost mit dick aufgetragener Interpretation. Nein. Dieser Entertainer,der ohne viel Effekte, Tricks und Pomp arbeitet, ist außergewöhnlich.




Seine Fähigkeit, in den fast ausverkauften Mannheimer Mozartsaal eine intime Atmosphäre zu zaubern, spricht für diesen "Spezialisten von sich selbst", wie er sich gerne bezeichnet. Spezialist ist van Veen auch in Sachen Pantomime. Seine Gestik und Grimassen, parodistischen Arabesken und die Choreographie seiner tänzerischen Einlagen haben eine ebenso intensive und ausdrucksstarke Aussagekraft wie seine Texte. Und sie sind für ihn nicht nur ein Stilmittel, um seine Lieder einzurahmen oder zu überhöhen, sondern stehen für sich allein, haben einen ureigenen "Text".

Er kennt sein Metier und weiß, was er sagen, singen und tun müßte, "um mehr zu erreichen", meint van Veen. Aber er begnüngt sich mit den sparsamsten Miteln, um "gemeinsam verbrachte Stunden, Entertainment für Kopf und Herz mit eingezogenem Zeigefinger" zu bieten. So zu sehen ist auch sein Bühnenbild, lediglich ein großer Ballon, der, mal rot, , mal orange oder blau, als Mond oder Sonne am Bühnenhimmel schaukelt, der nicht ablenkt vom Geschehen, sondern dezent pointiert.

Zwischen seinen Geigenkantilenen, die den klassisfch ausgebildeten Musiker van Veen zeigen, wird er politisch. So murmelt er etwas über die "Verunreinigten Staaten' von Amerika", die "Dritte Welt" ist für ihn nur zynisch "numeriert", oder ein leiser, eindringlicher Appell geht ostwärts, wenn er singt, "Walesa, ich liebe Dich, aber paß auf".
Er spricht aus, was er denkt, ohne dabei ins Fettnäpfchen der Geschmacklosigkeit zu treten. Auch nicht in seinemballadesken Song, der klar macht, was heute alles nicht sein könnte, was es nicht gäbe, gäbe es Hitler noch; oder wenn er den Dialog mit Gott und Christus, genannt Chris, sucht, keine Antwort bekommt und bittet: "Sag ruhig etwas, wenn Du schon nicht existierst!"

Hermann van Veen ist, soviel bleibt nach diesem Abend zu sagen, sicher nicht in die Reihe der Liedermacher einzuordnen. Er ist Harlekin und Poet, Kabarettist und ParÖdist, er führt nicht vor, sondern vermittelt sich seinen Zuhörern.

Das gespannte, aufmerksame und totale Schweigen im Konzertsaal, der langanhaltende Applaus zeigen, daß van Veen und der Titel seiner neuen Langspielplatte eines gemeinsam haben: "Die Anziehungskraft."



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