Oberbayerisches Volksblatt
Angelika Sepp

Herman van Veen, der sanfte Provokateur

Gastspiel seiner neuen Tournee "Signale" in der Rosenheimer Stadthalle

13 okt 1984

Holland, das kleine Nachbarland, schickt viele Showgrößen zu uns herüber. Der Niederländer Herman van Veen aber ist mehr als nur eine Showgröße, er ist ein Multitalent wie auch einfach ein Mensch, den man kennenlernen möchte. Weil er, aus persönlicher Betroffenheit, so viel zu sagen hat. Seine Gemeinde ist immer noch im Wachsen, und so blieben bei seinem ersten Auftreten in der Rosenheimer Stadthalie nur wenige Sitzplätze leer.


. Nach seinem Auftrittslied in seiner Muttersprache kam gleich beim zweiten Lied die sanfte Provokation: "Die Bombe fällt nie" - was tun dann die mit der "wiedergesehenkten Zeit", mit dem wieder banal gewordenen Alltag, die von "no future" überzeugt sind? . Heißt das, es gibt ein neues Morgen?" Und bedeutet das Hoffnung, oder doch Verzweiflung, da es so schwer fällt, daran zu glauben? Herman van Veen stellt Fragen, er beantwortet sie aber nicht - oder doch?

Eine Reminiszenz an frühere Lieder über die Schwierigkeit oder gar Unmöglichkeit, zu lieben, war das Lied für Edith Piaf, eine Huldigung an die vor zwanzig Jahren gestorbene französische Chanson-Sängerin, die ihre Gefühle so auszudrücken verstand, daß auch einer, der ihrer Sprache nicht mächtig war, von diesen Gefühlen ergriffen wurde: "Ich verstand es nicht, ich spürte es an meiner Gänsehaut", sang er. Auch van Veens Lieder können diese Gänsehaut bei betroffenen Zuhörern hervorrufen, besonders wenn er, sanft aber eindringlich und deutlich, von Nöten und Ängsten singt. Die Arrangements von Erik van der Wurff, der eis Begleiter an Klavier und Keyboard bei van Veen stets dabei ist, gerieten gerade bei'den nachdenklichen Lieder zu märchenhaften Klanggebäuden, unsentimental und kitschfern. Da ist die Sehnsucht nach der heilen Well), die für van Veen ein wenig mehr Wirklichkeit werden könnte, wenn die Menschen begriffen, "daß sie sich gegenseitig brauchen, daß sie ohne einander nicht leben können".

Da vieles, was an Bösem zwischen Menschen geschieht, einfach auf Unkenntnis des ande ren, auf Mißverständnissen und Fehlinformationen beruht, wirbt Herman van Veen um Verständnis für das Anderssein (etwa in der Szene mit der Homosexuellen-Hochzeit), wirbt um Verständnis dafür, daß die anderen, die Menschen in Ost und West, im Grunde genauso sind wie wir, daß auch sie Sehnsucht haben nach einem friedlichen Leben (die Szene mit Kinderwagen und Wäsche), nach Liebe und Verstandenwerden, nach Menschenwürde ("Arbeitslos"), nach Gesundheit und gesicherter Zukunft ("Warüm gerade ich?").

Innige Lieder wechseln sich ab mit clownesken, ja bizarren Szenen, die dann intensiv farbig ausgeleuchtet werden. Ein riesiger Ballon stellt dabei bisweilen die Erde, bisweilen den Mond dar, mal anheimelnd, mal bedrohlich wirkend. Die Ton- und Lichttechnik bei Herman van Veen Show ist noch perfekter geworden, wie überhaupt aus jeden liebevoll ausgetüftelten Detail spürbar wird, wie gut sich die "sichtbare" Mannschaft auf dei Bühne mit der "imsichtbaren" dahinter versteht, wie hervorragend Musiker wie Technikei sind.
"Signale" heißt diese Tournee und Signale soll sie aussenden an Menschen, die guten Willem sind. "Wie kommt es, daß du trotz Tagesschau und Zeitung den , Mut nicht verlierst?" singt Herman van Veen, und seine persönliche Antwort darauf ist: "Weil ich mit meiner Arbeit auf der Bühne das Gefühl habe, daß ich etwas tue. Vielleicht kann ich dadurch ein kleines bißchen was verändern bei dem einen oder an- deren, der bisher noch nicht dar- über nachgedacht hat..."

Er tut auch noch etwas anderes. Vor sieben Jahren gründete er zusammen mit anderen die Entwicklungsorganisation "Colombine", ein Verein, der Frauen in verschiedenen Entwicklungsländern bei der Verwirklichung von Selbsthilfeprojekten beisteht. So wurde zum Beispiel eine Hebammenausbildung für Fräuen in der Dritten Welt finanziert.
Derzeit wird einer Vereinigung von 150 Frauen auf den Philippinen geholfen, die in drei Jahren ein eigenes Krankenhaus, eine Schule und eine kleine Textilfabrik aufbauten. Aus dieser Fabrik stammten auch die im Foyer angebotenen T-Shirts mit dem Emblem der Show.



Angelika Sepp