NRZ
BIRGIT KÖLGEN

Herman van Veen auf Tournee

Betörende Revue für unsere Seele

13 okt 1984

DÜSSELDORF. Ein zärtliches Gefühl allein, das reicht ihm nicht mehr aus: Herman van Veen, für seine schmusige Philosophie geliebter Barde aus den Niederlanden, will jetzt ein Friedenssänger sein. Zwischen den Blöcken der Macht sieht er sich stehen - ein Harlekin, ein Musikus, der reine Tor in einer Welt der Aggressionen. Seine Kinder (vier hat er) sollen nicht "zu früh in den Himmel kommen", und deshalb erzählt er von seinem - kindlichen - Traum, wo "die allerschönste Musik" die Herren der Welt so sehr betört, daß sie ihre Raketen total vergessen: "Aber dann", meint er und grinst, "muß man natürlich verdammt lang spielp'1". In der Düsseldorfer Tonhalle reichte ein Konzertabend, um t Publikum so sehr zu betören, daß es seine Zeit total vergaß.


Bis halb zwölf Uhr nachts riefen sie "Herman" immer wieder zu einer Zugabe auf die Bühne. Am Schluß kam er im Bademäntelchen und sang noch mal das alte Lied von den Zeugen, die keine Helden sind. Die Zuschauer saßen still mit nassen Augen. Ganz junge Leute waren dabei im Borstenlook, Hippie-Veteranen aus der Flowerpower-Zeit und Herrschaften wie beim feinsten Symphoniekonzert.

Herman van Veen bezaubert sie alle mit seinem blauen Blick auf die Dinge des Lebens. Denn er geniert sich nicht, von der nackten Angst zu singen, die sich bei jedem im Gemüt versteckt, und immer wieder von der Liebe - "vollkommen wehrlos'".

Man glaubt ihm die innigsten Gefühle. Das liegt vielleicht an der sanften Stimme und an dem Kindergesicht unter den Sorgenfalten seiner 39 Jahre. Aber das hat auch mit van Veens Fähigkeit zu tun, eine Revue für die tiefste Seele zu inszenieren.

Sanfte Poesie und zarter Witz wechseln sich ab mit schockierenden Szenen. Da küsst er einen blauen Mondball, daß der rot wird und davonschwebt. Und da mimt er einen Militaristen, der den Countdown übt unter Gebrüll - bis es zu spät ist: Der harte Mann kauert sich noch in einen Kinderwagen, als ein Knall die Luft zerreißt. Der schwarze Vorhang fällt, und das Licht des Scheinwerfers steigt empor wie die Ahnung des Atompilzes.

Der große Knall

"Wie kommt es," singt Herman van Veen und spielt dazu Klavier, "daß ich hinter jeder Waffe in der Ferne doch noch den Frieden spüre?" Keine Ahnung, aber gerade das macht ihn so liebenswert, das bißchen Hoffnung - und die vollkommene Ruhe, die sich wohltuend über alle Aufregung legt, wenn er ganz leise trällert:
"Auf der Straße, der großen Straße, steht ein junger Mann und singt.."



BIRGIT KÖLGEN