Rheinische Post
Hans Hoff

Wie man aus Stein ein Herz gewinnt

13. Januar 1989

„Clown und Holländer” steht in seiner Todesanzeige. Die hat Herman van Veen zum Auftritt vorsorglich mitgebracht. Auch die Einladung zur letzten Party ist schon formuliert: „Herman stirbt — kommst Du auch?” Als durch und durch „realistischer Pessimist” präsentierte sich der 43jährige Geschichtenerzähler mit seinem Programm „Bis hierher und weiter” jetzt beim ersten von zwölf Konzerten in der Düsseldorfer Tonhalle. Aber Herman van Veen wäre nicht Herman van Veen, wenn er nicht immer wieder den Tropfen Hoffnung und den Schuß befreiende Phantasie ins Faß der Depression kippen würde. Die 1400 Zuschauer in der fast ausverkauften Tonhalle dankten ihm nach anfangs kühler Reaktion schließlich mit überschwenglichem Jubel.


Seit über zwanzig Jahren steht dieser Mann schon auf der Bühne, ist Sänger, Geiger, Tänzer, Pantomime, Clown und Märchenonkel. Aber die Geschichten des Herman van Veen stammen nicht aus alten Büchern. Sie entstehen nach wie vor unter der schadhaften Lockenpracht des Multitalents und sind immer bestimmt von der zärtlichen Vorliebe fürs Detail.

„Wer erklärt mir das, wie man aus Stein ein Herz gewinnt?” singt er und wirkt auf den ersten Blick naiv. Dazu schlakst er ungelenk über die Bretter und schaut sehnsuchtsvoll in einen imaginären Mond. Doch der lustige Clown beläßt es nicht bei Fragen.
„Man soll, verdammt nochmal, was unternehmen”, sagt der Unicef-Botschafter tags darauf bei einem Pressetermin zur Gesprächspartnerin Amelie Fried und setzt sich mit der langen Liste seines sozialen Engagements deutlich von allen ab, die nur für Lippenbekenntnisse im Scheinwerferlicht gut sind.

Herman van Veen ist einmalig und stolz darauf, daß er noch nie einen Hit hatte und bislang keiner versucht hat, seine Lieder nachzusingen. So kann er sich auch beim Auftritt mit seinem hervorragenden Begleittrio eine saftige Parodie auf Konzertrituale der Pop-Stars leisten; und zur allseits beliebten Optimistenhymne dichtet er sarkastisch: „Krebstod oder HIV, anderswo der Hunger-GAU. Don’t worry, be happy”

Seine Paraderollen sind allerdings nach wie vor der liebenswerte Trottel, der perfekte Versager und der zwölfjä-hirge Kindskopf mit Glatze. Herman van Veen spielt den, der immer startet, aber nie ankommt: den Jürgen Hing-sen der Kleinkunst. Dabei gerät ihm der erste Teil seines knapp dreistündigen Gastspiels manchmal ein wenig zu derb. Zwischen Plaudern, Poltern und immensem technischen Aufwand geht so manches Mal die Feinsinnigkeit verloren.

Dafür läuft er aber nach der Pause zur ganz großen Form auf. Glanzpunkte sind sein Spiel mit dem Tod, die Zeitlupenpräsentation von Tennisspieler-Grimassen und die in umwerfend komischem Phantasie-Japanisch gebrabbelten Traumerlebnisse mit einer Geisha und einem Samurai. „Wir wollen geliebt werden”, so beschreibt Herman van Veen das Motiv, das ihn und seine zwölfköpfige Tourneemannschaft 120 Mal im Jahr in die Konzertsäle treibt.

Nach einem Auftritt wie in der Tonhalle steht dem nichts mehr im Wege.



HANS HOFF