AALENER VOLKSZEITUNG

Poetische Traumwelten und ulkige Clownerien

12. Mai 1992

Die unwiderstehliche Macht der Poesie: Mit sanftem, seligem Lächeln auf den Gesichtern verließen die Besucher die Aalener Stadthalle nach dem Konzert mit Herman van Veen. Der Liedermacher, Sänger, Geiger, Poet und Entertainer hatte ihnen einen ungemein kurzweiligen Abend beschert, einen unterhaltsamen Abend voll der zärtlichen Gefühle und tiefen Gedanken. Viel mehr kann und will ein Clown seinem Publikum nicht vermitteln.


Van Veen frönt der süßen Melancholie, er schwelgt in Weltschmerz und Liebesweh, frappierenderweise ohne dabei jemals in die Gefilde von Schmalz und Kitsch abzugleiten. Ein gewagter, halsbrecherischer Balanceakt, den nur sehr wenige schaffen. Wolf Biermann etwa verhindert dies durch literarische Qualität und Rauhbauzigkeit, der Holländer dagegen vermeidet es mit einer bis ins kleinste Detail ausgeklügelten, raffinierten Dramaturgie, die trägt bis zum Schluß. Was bei anderen furchtbar triefen würde, erhält bei Herman van Veen ein erstaunliches Niveau, etwa die alten Songs von Leonard Cohen, dessen abgedroschenes „Suzan-ne“. Die grandiose Musik, das Licht, Geräusche und Stille im richtigen Moment spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Van Veen gestaltet sein Konzert wie ein buntes Bilderbuch. Seite für Seite schlägt er auf, je
Doch sein Auftritt lebt vom ständigen Wechsel, von den nahtlosen Übergängen. Brillante Showelemente vermischen sich mit Gesellschaftskritik, typische Clownerien mit eindringlicher Lyrik, kleine, teilweise wenig originelle Witzchen mit sehnsüchtigen Balladen, virtuose Parodien mit leisen Liebesliedern. Alle Traurigkeit, alle Ängste werden immer wieder aufgefangen, aufgelöst im befreienden Lachen. Da hat man sich gerade auf die Schmusestimmung wehmütiger Lyrik eingelassen, da erzählt er unvermittelt den albernen Witz von den beiden Berliner Hunden, die ihr Geschäft immer an der Mauer verrichtet haben und sich nun an die Beine pinkeln, weil die Wand dazwischen fehlt.

Dennoch bleibt Herman van Veens Grundstimmung eine tiefe Melancholie, die sich jedoch selbst nicht ganz ernst nimmt. Über allem, sogar den ernstesten Passagen, schwebt ein sanfter Hauch von bisweilen kaum merklicher, dann wieder befreiend durchbrechender Ironie. Sie schafft die Spannung, denn die Szenen sind labil angelegt. Jeden Augenblick drohen sie umzukippen.

Damit entsteht eine Komik ähnlich der, wie man sie von Charlie Chaplin kennt, leichter jedoch, mit weniger Slapstick und ohne die tragische Komponente so sehr zu betonen.-