Munstersche Zeitung
PETRA BRÖNSTRUP

Herman van Veen eroberte die Halle Münsteriand

Der singende Smartie

12. Januar 1993

Münster - Herman van Veen ist ein Spieler, ein Zauberer, ein Komödiant. Intelligent, witzig, scharfsinnig in Text und Melodie. Ein Strahlemann mit Hang zum Widersinn. Ein Musikus, dem es - außer an Haaren - an nichts mangelt.


Herman gibt sich betont human. Seine außergewöhnlichste Fähigkeit ist Menschenkenntnis: Er setzt Jux, Melancholie, Heiterkeit und etwas Schwulst in einem Atemzug ein. Ein bißchen Wahnsinn, ein Funken Dollerei im Bannkreis von Liebes- und Lebensleid. Mit dem Ergebnis einer emotionalen Kneippkur für sein von den Bitterkeiten der Welt gebeuteltes Publikum.

In der Halle Münsterland, zum Auftakt des dreitägigen Tourneestops dieses unheimlich netten Smarties, schworen hunderte auf die süße Wirkung ihres Idols. Er sang ihnen das Bunte vom Himmel: Nach gut drei kurzweiligen Konzertstunden (die letzte bestand aus Zugaben) schallte noch immer ein herzerweichendes „Herman“ durch den Raum. Der unverdrossene Ermutiger lieferte wieder sein Patentrezept zur Verschönerung des Seelenlebens.
Schnulzenromantik ade! Wir Veen-geleitete träumen nicht mehr haltlos vor uns hin, wir werden frech. Wir kehren den Spieß einfach um, so wie es uns Herman auf der Bühne zusammen mit seinen musikalischen Spitzenkräften Erik van der Wurff am Klavier und Nard Reijnders (Saxophon, Klarinette, Akkordeon) Vormacht.

Und das geht so. Madame Gi-gi, einst beweint, nun besungen, ist fort. Herman schwelgerisch: „Wir haben uns geliebt.“ Traurig, traurig. Im Zeitraffertempo stürmen die Bilder vergeblicher Lebensmüh durch die Köpfe der Fans. Gerührt erwarten sie das Ende vom Lied.

Doch Herman enttäuscht, Gott sei es gedankt Dem niederschmetternden Moll-Akkord - im Grau der deutschen Schlagerparade - setzt er seine schrillen Echo-Spielereien entgegen. Urtümliche Laute hallen durch den Saal, verbinden sich zu einer skurrilen Tonmixtur. Liebesleid löst sich im Freudenschrei. Herman’s Botschaft: Herzensbrecher, ihr könnt uns - den Spaß nicht verderben!

Zugegeberi: Nicht immer gelingt die musikalische Therapie so intelligent. Mancher Song erschöpft sich im Kitsch: „Laß uns nie mehr im Dunkeln lieben/ich möchte sehen, was ich tu/es ist, als wollte ich dich riechen/und du hältst mir die Nase zu.“

Sorgenfalten verknittern manchmal Herman’s fröhliche Miene. Aber schon glättet die klamaukige, witzige Dramaturgie des Konzerts den tiefen Schmerz. Um uns aufzuheitern, bringt Herman die lustige Fabel von den zwei deutschen Hunden, die früher die Ost- und Westseite derselben Mauer benutzten und ihr Bedürfnis nach der Wiedervereinigung ohne Trennwand verrichten: Sie pinkeln sich an. Da schlägt sich die Zuhörerschaft begeistert auf die Schenkel.

Egal, das ist doch alles gar nicht tragisch. Mal auf, mal ab, so spielt das Leben auf Hermans Geige. Heute abend kann, wer eine Karte für die ausverkaufte Halle Münsterland ergattert hat, ein letztes Mal die Kunst der holländischen Leichtigkeit genießen.



PETRA BRÖNSTRUP