Öffentlicher Anzeiger
Sabine Kesseler

Rosen und Reis

Herman van Veens leise, scharfe Töne

11 nov 1981

Der blasse Harlekin hat den Farbtopf vergessen, irgendwo. Und so bleibt sein Gesicht halt irgendein Gesicht, so bekannt, weil's das Dutzendgesicht aus der Menge ist. Der Clown ließ das Narrenkleid hängen und tarnt sich in der farblosen Alltagsuniform und - ist einfach da. Er kommt mit leeren Händen und bringt seine Melancholie und Kinderfreude, als Draufgabe ein bißchen von seiner Musik: Herman van Veen.


Ein sanfter Jedermann begeisterte in der Koblenzer Rhein- Mosel-Halle. Zärtlich verteilt der Holländer Seitenhiebe, macht es den Schubladendenkern nicht einfach. Da kriegt jeder was ab: Die von der neuen Innerlichkeit, die "beständig in sich hineinlauschen und dann so ganz und gar ergriffen schauernd".

Mit lautem Halali gibt er Feuer frei auf die verflixt emanzipierten Mädchen, die - verdammt - die Zigarette immer noch schief drehen.,. Massiv wird er selten, der Mann, der so gern genierlich mit seiner (zugegeben) immer höher werdenden Stirn kokettiert. Van Veen weiß seine leisen "Töne verstanden. Gesten genügen und wecken plötzlich Ängste, zeigen Hilflosigkeit überdeutlich im Zerrspiegel.

Musik ist in ihm, der 36jährige beherrscht seine Stimme, den gepflegten Bariton, und kann auch nach zwei Stunden so ganz aus Versehen das Mikrofon vergessen, um bis zur letzten Reihe verstanden zu werden. Der Unauffällige hat viele Joker auf seiner Palette und spielt vorsichtig Wirkungen aus: Macht Pantomimen und Männchen, tanzt oder swingt für ein paar Takte "the disease blues".
Kabarettist kann er sein und will als Chansonnier gefallen. Mag Attitüden, die Erinnerungen wachrufen, den Kindern abgeschaut knuddelt er innig den traurig kaputtgeliebten Plüschhund auf den Armen, klettert, Handtaschen plündernd, durch Zuschauerreihen. Und schaut auch schon mal seinem Piano-Player tief in die Augen und gesteht:
"Eric - I love you..."

Alles wird zu Musik, ist Klang. Sprache klopft und horcht er nach neuen ungeahnten Nuancen ab, ganz weich und zart kommt konsonantenhartes Deutsch, zärtlich säuselnd brabbelt van Veen begeistert Holländisch, und wenn das auch nicht mehr langt - dann murmelt er halt missingisch weiter, zur Verständigung helfen da ein paar Laute Vanveensch...

Show spielt er und führt sie ad absurdum mit der großen Geste des Alleskönners "guckt mal her, ich könnt' das schon, aber bleiben wir doch ehrlich".

Ein Abend, so spröde und knackig wie die harten Reiskörner, die Herman van Veen freigiebig prasseln läßt, und so unauffällig, wie die rote Rose am Fuß des Mikrofonständers, die der Abergläubische mit raschem Zugriff vor Requisitenfrohen sichert.



Sabine Kesseler