DER MORGEN DDR
Vera Czollek

Herman war da!

11. Oktober 1989

Als er auf die Bühne hüpfte, im schlapprigen, großkarierten Mantel, da erhöhen sich alle, die gerade ein Sitzplätzchdn auf dem Parkett der Werner Seelenbinder Halle besetzt hatten. Wie im Sog strömten sie auf ihn zu: Herman van Veen, der Entertainer aus Utrecht, war wieder in der Stadt. Dieser Clown, dem Ideen für Lieder, Etüden, Slapsticks schier unbegrenzt zufliegen. Er ist jetzt Mitte 40 und. hat zum Glück noch immer Mut abzugeben. Er träumt, sinniert, spöttelt, lacht.


„Bis hierher und weiter" heißt die derzeitige Tour. Sie ist eine Bestandsaufnahme aus über zwanzig Jahren Künstler-Sein. Zu bekannten Ansätzen — im Telefonat mit dem nicht einschlafen wollenden Sohn daheim beschreibt er seinen Aufenthaltsort; die vier Musiker spielen nur, wenn van Veen seinen Schlapphut aufhat — kommen neue Zwischentexte und Lieder.
Es geht um Liebe, jene, die sich nicht traut, jene die erkauft werden soll, jene, die bis zum Tode hält. Und das Sterben, das wird schaurig zelebriert. Aber Herman van Veen kommt zurück, er hat seine Geige vergessen, ohne die es ihm im Himmel zu langweilig würde.

„Lauf, soweit du laufen kannst. Es liegt nicht an der Gegend, es liegt an dir,“ hat Heinz Rudolf Kunze dem Freund gedichtet und die vielen aufgekratzten, sehr aufmerksamen Fans fühlten sich gemeint und ließen 'sich führen durch des Poeten Welt.

Nach der Glanznummer „Boris Becker in Zeitlupe“ dirigierte der singende Seelengucker den Beifall der Tausenden.

Wer den Meister wohl dereinst dazu angeregt haben mag. ..



Vera Czollek