Aachener Volkszeitung
FRANZ JUSSEN

Ein Clown, der von Kindern lernt

Hermann van Veen im Gespräch mit unserer Zeitung - Vorbild Chaplin

10 nov 1984

Aachen. - Nach einem über dreistündigen Konzert war er glücklich, weil er soviel Wärme und Begeisterung zurückbekommen habe. "Ich habe viel gegeben, aber kriege auch sehr viel", urteilte Hermann van Veen am Donnerstag nach seinem Mammutprogramm im ausverkauften Aachener Eurogress. Der Allround- Künstler aus den Niederlanden hatte mit seinen "Signalen" Station in Aachen gmacht. Unserer Zeitung stellte er sich noch , der gleichen Nacht zu einem Interview.


Hermann van Veen bezeichnet sich selbst als einen europäischen Künstler, aber ich bin ein ausgesprochener Holländer in meinem Denken". Einen Großteil seines Konzertes widmet er der "Plauderei" über sein Heimatland, über die Identität und über die Position der Niederlande zwischen den Machtblökken.
Er fordert die Frage nach seiner Weltanschauung förmlich heraus. In seinem Herzen ist er Pazifist. Praktisch kann er es nicht sein. "Ich bin letzten Endes auch jemand, der andere unter den Teppich schlägt, wenn er anfängt, in meinem Garten einen Parkplatz zu bauen. Ich habe Aggressivität."

Seine Aufgabe sieht das Multi-Talent darin, als Kommunikator zu vermitteln. Er beklagt das Vermögen, das an Rüstung ausgegeben wird, während in der Dritten Welt täglich 40 000 Kinder Sternen. Aber er hält nicht die Rüstung für die Bekrohung, sondern das Abstumpfen ier Menschen, die nicht mehr fühlen, was mit ihnen geschieht. Er engagiert sich in der Friedensbewegung, aber licht in Gegnerschaft zu den Amerikalern oder Russen, sondern für den Frieden: "Ich sehe mich als Möwe, nicht als Politiker."

Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Kinder durch das Konzert der Unicef, der van Veen seit 15 Jahren ist. Sein Ziel war es schon immer, für Kinder zu arbeiten. Als "er noch nicht wußte, ob er jemals, von seinem Clown-Dasein leben könnte, war er Lehrer. Der fast 40jährige ist Vater von vier Kindern und weiß heute, daß "wir mehr von Kindern lernen können, als wir glauben". Ihn fasziniert die Objektivität, das noch so reine Erfahren und Empfinden junger Menschen. "Fragt man ein Kind, wie ein Baum aussieht, merkt man bei der Antwort, daß man selbst vergessen hat, wie er aussieht."

In die Generation der Fünf- bis Fünfzehnjährigen setzt er sein volles Vertrauen, weil sich bei diesen Menschen so fantastisch viel abspiele. "Wir sind in unserer Generation doch fast ein Schlachtopfer der Medien. Das Fernsehen ist für junge Menschen nicht mehr das wichtigste Ding. Sie haben eine eigene Identität."

Der Musiker, Sänger, Schauspieler und Clown Hermann van Veen inspiriert viele andere Künstler. Hat er selbst auch Vorbilder, durch die er sich maßgeblich beeinflußt fühlt? Den ersten Namen nennt er schlagartig: "Charly Chaplin. Er ist für mich das, was Beethoven oder Mozart, für die Musik sind. Er war ein unglaublich beeindruckender Mensch." Er liebt Jacques Brel, David Bowie, Bob Dylan, findet aber auch Anregungen in der klassischen Musik und in der Literatur.

Das, was Hermann van Veen so locker und spontan auf der Bühne zeigt, ist keine bis ins letzte Detail einstudierte Show. Er arbeite mit den Elementen Zufall und Verwunderung, er verbirgt und klärt auf zugleich. Das ist die Technik eines Clowns. "Ich spiele mit Realitäten auf eine naive und absurde Weise", versucht das Sprachentalent seinen Beruf darzustellen.
In wenigen Wochen geht seine Tournee zu Ende. Was dann? Am 13. Dezember wird seine Vorstellung in Kurzfassung live im ZDF gesendet. Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in Paris und einer Tour durch Österreich wird van Veen im Sommer einen Spielfilm drehen, über den er noch nichts verraten möchte.
Im September oder Oktober des nächsten Jahres kommt er in die Bundesrepublik zurück, um sein neues Konzert vorzustellen.
Wird er dann auch wieder in Aachen zu sehen sein? "Ich hoffe es", meint er und fügt ein Bonbon für das Aachener Publikum hinzu:

"Ich möchte einmal gerne mehrere Tage hierbleiben."



FRANZ JUSSEN