Wiesbadener Pagblatt
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Herman van Veen:
"Was man tut und wo man steht... "

10 nov 1977

lz. - Ein schlaksiger Holländer, 33 Jahre alt, hochsensibel, Bühnenprofi und von sprühender Komödianterie. Ein Mann der leisen, behutsamen Pop- Töne, der voller Ausdrucksmöglichkeiten steckt: Schauspielerei und Clownerie, Pantomimik und Romantik. Viel Poesie ist auch dabei. Und Gesang. Herman van Veen, während der Maifestspiele VOR drei Jahren schon einmal. in Wiesbaden zu Gast, ein großes und vielseitiges Talent der im Verborgenen blühenden Kleinkunst-Szene, fasziniert stets aufs neue. Ein weiser, liebenswerter Tausendsassa, mit dem sanftem Charme eines Grock ausgestattet, der lautlos in fast alle Rollen schlüpft, eigene und fremde Chansons meisterlich rezitiert und nebenbei als Instrumentalist von hohem Rang gelten darf. Herman van Veen: Ein Aznavour, dem man die Stimme weggenommen hat, resümierte unlängst ein Kritiker über den holländischen Meister des Aussparens und Ausdeutens, dessen weltanschauliches Brettl-Kunst- Bewußtsein sich jeder schablonenhaften, vordergründigen und effekthascherischen Katalogisierung entzieht.


Bestimmend und . ausgeprägt aber bleibt sein zärtliches Gefühl, wie er sagt, für die Außenseiter und Randfiguren, die Frustrierten, Ausgestoßenen und Vergessenen, denen die Grundidee seines aktuellen Bühnenprogramms gilt. Herman van Veen - Irritieren durch Inspiration, Umdenken durch Andersdenken, minutenlanges Flüstern oder stimulierendes Sozialengagement, das auf leisen und witzigen Tönen daherkommt. Das ebenso leise schockiert, nicht verletzten will, doch aus den Wurzeln einer tiefen pazifistischen Grundhaltung Kraft und Daseinsfülle bezieht. Choreographie, ungekünstelte Perfektion auf der mit Requisiten sparsam ausgestatteten Bühne und eine meisterliche Contra- Band tun ein übriges zum Gelingen des Abends. Erik van der Wurff (Piano/Orgel), Hans Koppes (Tuba/Euphorium), Harry Sacksioni (Gitarre), Martijn Alsters (Flöte), Ger Smit (Posaune) und der vortreffliche Herman van Veen an der Geige rühren die musikalischen Begleitungswellen mit soviel Ausdrucksstarke und unaufdringlicher Intensität an, daß den Künstlern in der Tat ein breiteres Publikum zu wünschen gewesen wäre (der Kurhaus-Saal war nur zur Hälfte besetzt).

Herman van Veen - einer, der unmerklich die Rollen verteilt, der die Außenwelt in seine Innenwelt mit einbezieht, der bunte feuilletonistische Bonbons an sein Publikum verteilt, "Bonbons mit bitteren Mandeln oder einem Tropfen Zitrone drin". In seinem Liederzyklus "An eine ferne Prinzession", dessen gezielte Dissonanzen in einer musikalischen Sentenz von dünnhäutiger Melancholie einmünden, kommt das vielleicht am besten zum Ausdruck: "Was man tut und wo man steht - jemand stiehlt die Show ...!" Warum so pessimistisch, Herr van Veen. Als ob Ihnen jemand das Wasser reichen könnte...



Iz.