Tecklenburger Kreissblatt
Christoph P o d e w i I s

Herman van Veen begeisterte Publikum

10. Sept 1993

Ibbenbüren. „Einfach (und) genial“ - so kann man den Multi-Künstler Herman van Veen kurz wohl am einfachsten beschreiben. Doch hinter dem niederländischen Sänger, Liedermacher, Komponisten, Clown und Kleinkünstler steckt viel mehr. Was alles, zeigte van Veen am Mittwoch und gestern abend in der Kreissporthalle - vor jeweils begeistertem Publikum. Schlicht „Ja“ hieß sein Programm.


„Ich gehöre zu den Nie-Erwachsenen“, meint van Veen auf die Frage, zu welcher Art Mensch er denn gehöre (siehe Interview), „Ich habe keine Meinung und keine Ahnung.“ Irgendwie macht ihn diese Bescheidenheit sympathisch, denn was er da sagt, stimmt nur bedingt. Menschen faszinieren kann er zum Beispiel unheimlich gut. Mit ganz einfachen Mitteln zeigt er das auf der Bühne, was wir alle eigentlich täglich machen - zum Beispiel mit der Familie telefonieren. Dabei wirkt er nur über seine weiche Stimme und über melodielose, trotzdem aber sehr harmonische Instrumentalunterlagen von seinen Mit-Künstlern Erik van der Wurff (Klavier, Synthesizer) und Nard Reijnders (Saxophon, Klarinette, Akkordeon).

Van Veen sieht gerade in den normalen Sachen - vor allen in Erinnerungen - einen ungeheuren Schatz: „Ich singe von Erfahrungen, die eigentlich jeder hat. Aber nicht jeder hat den Mut, das auszusprechen.“ Und so versteht er seine Lieder, die vom Melodielauf häufig ungeheuer melancholisch wirken, eher als Widergabe der realen einfachen Dinge.“ 1 Daß er die Leute mit solchen Texten ins grübeln bringt, versteht sich da schon von selbst. „In drei Monaten ist Weihnachten. Und um daran zu erinnern, daß Jesus und Maria auch Flüchtlinge waren, singe ich jetzt ein Weihnachtslied in der schönsten Sprache der Welt - in holländisch.“ Was er da gesungen hat, versteht der normale, nicht niederländisch sprechender Deutsche wohl nicht - was er aber sagen will, ist klar: „Leute denkt mal etwas über das nach, was ihr tut, wenn ihr sonntags zur Kirche geht und anderntags den Bettler an der Tür abweist.“

So auch in dem Lied „Wie das ist“, das die drei Musiker auf der Bühne in einem perfekten Zusammenspiel vortrugen. Zu der Melodie von Alan Parsons/E. Woolfson Ballade „Old an wise“ sang van Veen hier einen Text, der sich auf eindrucksvolle Weise mit der Melodie verband. Auf diese Art drang er mitten in das Herz seiner Zuhörer und erzeugte tiefe Betroffenheit. Das Thema des Liedes: Was wäre, wenn Hitler seinen Kampf gewonnen hätte?

„Momente großen Glücks sind in meinem Leben immer sehr kurz“, erzählt der Kleinkünstler Van Veen in einem der etwas ruhigeren Moment. Wie kurz, wird auch gleich deutlich: ein lauter, hallenerschütternder Schrei, van Veen zuckt erschrocken zusammen - der Glücksmoment ist Vergangenheit.

Kein Wunder: Man sagt van Veen nach, daß er - technischer - Perfektionist sei. Was jedoch nicht bedeutet, sich an eine strikt vorgegebene Programmfolge zu halten: „Herman van Veen trifft eine Auswahl.“ So auch hier, wo er spontanö Einfälle sofort in die Tat umsetzte oder auch bei der Masse an Zugaben, die das Konzert um eine ganze Stunde verlängerten - keine Frage, das Publikum liebt diesen Mann und dieser zu vier Zugaben Der Künstler im Kreissporthalle.

Mann liebt sein Publikum, sonst wäre er sohl kaum viermal wieder auf die Bühne getreten, um noch eins draufzusetzen.