Nordwest-Zeitung
Gabriele Konsor

Sanfte Töne und Trommelwirbel

Herman van Veen rückte vor gegen Kälte und Diskriminierung

10 feb 1982

Oldenburg.
"Ein zärtliches Gefühl" - und nachdenkliche Gesichter - erweckte der unglaubliche Clown, der mit einem Auge lacht, mit dem anderen weint, mit Stimme und Gesten aufrüttelt, angreift, bittet, mahnt - und bei alledem noch Zeit findet, mit Grimassen und Tönen sich selbst lächerlich und sein Publikum auf den Arm zu nehmen. Kein Wunder also, daß am Montagabend in der Weser-Ems-Halle die Oldenburger Herman van Veen, der zum ersten Mal in die Huntestadt gekommen war, gar nicht wieder gehen lassen wollten.



Ob als nachdenklicher Spötter oder aufgebrachter Trommler, ob in der Rolle eines hilflosen Kindes, oder eines affektierten Rockmusikers, ob auf der Suche nach Jesus, auf der Flucht vor unsichtbaren Maschinen oder gefangen hinter einem Gitterzaun - mit hintergründigen Überraschungen und^' unverhofften Temperamentsausbrüchen und Szenenwechseln hielt der Künstler nicht nur sich in Bewegung, sondern auch die Zuschauer ständig in Atem. Wirklich faszinierend war aber, mit wieviel Einfühlungsvermögen Herman van Veen das, was er sang oder sagte, mit Miene, Gesten und vor allem der Musik in Einklang zu bringen vermochte.

So wurde die Monotonie des "trauten Heimes" außer in Worten nicht nur in den abgehackten Bewegungen des Sängers, sondern auch in den gleichförmig aufeinanderfolgenden Akkorden der Musiker deutlich, und das Mädchen, das, von einer Entziehungskur nach Hause kommend, von seinen Eltern kaum bemerkt wird und schließlich vom Dach springt, denkt nicht nur im Text des Liedes, daß es Flügel hat, sondern bekommt sie durch die sanften Töne von Contrabaß und Saxophon gleichsam auch in Wirklichkeit.
Gegen die Unmenschlichkeit und Gefühllosigkeit, die überall immer mehr zunimmt und die Diskriminierung der Schwachen setzt Herman van Veen alle seine erstaunlichen Fähigkeiten, sich auszudrücken, ein.

Viele seiner Zuhörer und Zuschauer fühlten sich deshalb gewiß irritiert, oder gar verletzt, wenn er dann unversehens das soeben eindringlich Aufgezeigte mit einer Grimasse, einem Geräusch oder einer Bewegung wieder ins Lächerliche zieht. Bei näherem Hinsehen hat es allerdings den Anschein, als wolle er damit lediglich den Eindruck des "mahnenden Zeigefingers" vermeiden, oder auch sich selbst in die Kritik mit einbeziehen.

Als Gesamteindruck blieb dann in der Weser-Ems-Halle auch nicht bissige Ironie und schmerzender Zynismus, sondern das, was Herman van Veen vor allem gegen Ende seines Auftritts immer unmißverständlicher betonte: der sanfte, aber eindringliche Appell, mehr Liebe und Gefühle zu zeigen, der Hinweis auf die Möglichkeit, einfach "nein" zu sagen, wenn "sie dich holen wollen", und schließlich die als Aufforderung gemeinte Frage:

"Worauf warten wir?!"



Gabriele Konsor