Braunschweiger Zeitung
bk

Hermann van Veen bereitete in der Stadthalle ein Wechselbad der Gefühle

Phantasievolle Reise im Traumabteil

09 dez 1994

„Echte Männer lieben ihre Mutter, echte Männer telefonieren kurz, echte Männer haben Haare überall, echte Männer heißen Hermann“. Bei diesem Lied wirft sich Hermann van Veen wie ein Body-Builder in Pose. Der holländische Künstler trat am Mittwoch und am Donnerstag in der Stadthalle auf.


Das waren die Konzerte 33 und 34 einer langen Tournee, die noch bis zum Mai nächsten Jahres dauert. Trotz der zahlreichen Auftritte wirkte van Veen kein bißchen erschöpft. Er präsentierte seinem Publikum ein Programm voller Phantasie, Witz und Melancholie.

„Wie heißt du?, will der 49jährige von einem Zuschauer wissen. Keine Antwort. „Dich meine ich“. Immer noch keine Antwort. „Du hast Schiß“, stellt van Veen fest. Und er vermutet, daß der stumme Zuschauer vielleicht ein längst gefallener Soldat sei. Er glaube fest an die Reinkarnation, sagt der Sänger und gibt sogleich ein Beispiel: „Vor langer Zeit bin ich in meinem Vater in den Wald gegangen und in meiner Mutter wieder nach Hause gekommen.“ Eine andere Form von Seelenwanderung läßt der Parodist vor den Augen seiner Fans ablaufen:
Zu ohrenbetäubendem Lärm und grellem Licht schüttelt sich der Mime. „Ich bin ein Außerirdischer und spreche zu ihnen mit Hermanns Stimme“, tönt es laut und unheimlich.

Doch der Gast vom fernen Planeten beruhigt die Zuschauer sogleich: Nur wer schon einmal ein anderes Lebewesen gegessen hätte, würde selbst aufgegessen werden. In diesem Moment lacht das Publikum herzhaft. Doch wenn Hermann van Veen „Ich hab ein zärtliches Gefühl“ singt und die Fahrt von „Zwei Reisenden im Traumabteil“ beschreibt, ist Stille im Saal. Seit 25 Jahren engagiert sich der Holländer gegen Mißstände. Er greift die Gleichgültigkeit von Eltern ebenso an, wie den wieder aufflackernden Rechtsradikalismus.

Dabei schlüpft der Sänger in die Rolle eines Friseurs und singt:' „Sie kommen seit wenigen Jahren, sie kommen alle drei Wochen. Warum wollen alle Kinder nur noch Messerschnitt?“ Musikalisch begleitet wird van Veen von Erik van der Wurff am Klavier und Nard Reijnders an Saxophon und Klarinette. Eines der letzten Stücke ist: „I did it my way“.

Eine treffende Beschreibung für das zweieinhalbstündige Wechselbad der Gefühle. bk



b
k