Abendzeitung
Elisabeth Sparrer

Samtweich und bissig

9. Oktober 1992

Herman van Veen gastiert mit Altenbekanntem im Zirkus Krone

Schwarz-Weiß - der Abend ist wie das Clownsgewand des Hauptakteurs: langweilig duster und brillant hell. Herman van Veen, der Bissige mit der samtweichen Stimme, spielt auf der Bühne Schach, glänzt als Springer über alle Themen und bringt ein Bauernopfer nach dem anderen. Schachmatt jedenfalls setzt er sein Publikum nicht mehr.



Ernst beginnt er mit der Holocaust-Bewältigung („Ein Foto“) des niederländischen Nachkriegskindes - angesichts deutscher Zeitgeschichte geht’s kaum aktueller -, um nahtlos einen derben Schefz draufzusetzen. Das van Veensche Wechselbad ist altbewährte Methode: Kein Thema, das nicht des Spotts wert wäre. Doch der riecht abgestanden, verkommt zum Fleckerlteppich, wenn die Spielzüge nicht einer Gesamtidee entspringen.

Flickwerk sind letztlich auch die einzelnen Nummern: Pantomime und Zauberei tragen den vorausgegangenen Text nicht weiter (schade um van Veens grandiose Körpersprache), zu Pausenfüllern geraten peinlich ausgelutschte Witze.

Großes Rätselraten auch beim zentralen Thema Tod: eine Nonsense-Choreographie dirigiert das Schiff des schwarzen Engels, darin die Mutter, ein monströses Ei in Händen: „Wieviel Zeit bleibt mir noch, dir zu sagen, daß ich dich doch liebe?“ Schlicht fad ist dies endlose Spektakel, weil Wahrheiten über Liebe und Tod nur die Oberfläche kratzen.

Hell wird’s immer dann, wenn van Veens weiche Stimme gesellschaftskritische Texte sensibel zelebriert (großes Lob den Musikern Nard Reijnders am Saxophon und Erik van der Wurff am Piano). Dann seufzt die geschrumpfte Fan-Gemeinde dankbar in der Hoffnung, van Veens vielseitigste Figur, die Dame, erreiche doch noch die feindliche Linie auf dem Schachbrett.



Elisabeth Sparrer