ROSTOCKER ANZEIGER
Maria Pistor

Transplantiert seine Philosophien singend

Faszinierte gleich zwei Tage: Hermann van Veen

9. Marz 1993

Freitag und Samstag wiederholte sich in der Stadthalle die gleiche Szenerie: Im ausverkauften Haus harrten 3000 Gäste auf den Auftritt von Hermann van Veen. Dieser erwies sich im Laufe beider Abende nicht nur als singender Philosoph, sondern auch als bravouröser Entertainer.


Publikurnsbliizke heften sich magnetisch an die hell erleuchtete Bühne. Ein glutroter Mond leuchtete am Bühnenhorizont. Gespannt warteten die Zuschauer auf Hermann van Veens _ grspheinen. Die knisternde Stille nutzte yanjVeen für sein Kommen: Mit verdrehtem Schirm stolzierte er durch die Publikumsreihen auf die Bühne.

Kurz nach seinem originellen Beginn führt er ein fiktives Telefonat mit seinem Sohn. Das Mikrophon funktionierte erf zum Telefonhörer um. Sensibel geht er auf Kleinigkeiten der Kleinsten ein.
Einfühlsam reagiert er auf Wünsche und Ängste seines Kindes und erntet Lacher, als er seinen Sohn mit monstermäßigem Lauten beruhigt und in den Schlaf verabschiedet. Bei dem anschließenden „Gespräch“ mit seiner Mutter verdeutlicht er, welche Assoziationen mit dem Wort „Rostock“ bereits in der Welt verknüpft sind. „...Rostock..., Ja Mama, ich paß auf.“

Das ist überhaupt das Faszierende an van Veen. Obwohl er um seine Popularität weiß, läßt er den Finger unten. Es ist auch nicht nötig, ihn zu erheben. Mit spielerischen Blacks transportierte er seine kleinen und großen Philosophien ohne zu moralisieren. Egal, ob seine Lieder melancholisch oder fröhlich sind, immer enthalten sie menschliche Wärme. „Humor ist keine Gabe des Geistes, er ist eine Gabe des. Herzens“, behauptet einst der Schriftsteller Ludwig Börne. Van Veen verfügt reichlich über diese Gabe.

In seinem „Gefolge“ seit 30 Jahren als Komponist, Arrangeur" und Begleiter am Flügel und Keyboard: Erik van der Wurff. Als exzellenter Saxophonist. Klarinttist und Akkordeonspieler präsentierte sich Nard Reijnders. Er arbeitet seit 1978 mit Hermann van Veen zusammen.

Die Gastspiele profitieren von einer ausgeklügelteh Lichtkonzeptiön und einem hervorragenden Sound.

Hermann van Veen greift an beiden Abenden Publikumsreaktiorien auf: Entweder im spontan improvisierten Strophenumbau eines gerade gesungenen Liedes oder als schlagfertigen Kommentar.
Beim Lied „Ich hab ein zärtliches Gefühl“ erntet er nicht, pur Beifall, sondern ergänzt den Text; „Ich hab ein zärtliches Gefühl,für jeden, der wehrlos liebt. Rostock denk*, daran“, mahnt er, der sich selbst oft als Clown bezeichnet und der Weisheiten und Philosophien singend in die Herzen des Publiküms transportiert. Kein Thema ist fur ihn zti banal.

Seine Tournee führt weithr näch Chemnitz, Dresden.' Braunschweig, Berlin und erlögt am 16. April in Stuttgart. Egal, wo Van Veen in der Welt gastierter fasziniert überall.
Dem Publikum begegnet er unbefangen und dennoch voller Konzentration. Oft stimmen seine Lieder nachdenklich, ihr' Vortrag hingegen erheitert.
Hermann van Veens Kunst besteht darin', dem Instrument des Lebens zur richtigen Zeit, den richtigen Ton zu entlocken.



Maria Pistor