Die Woche
Christine Riedel

Herman van Veens "Signale"

Leben ohne Zynismus

9 feb 1984

Er ist einer der wenigen, die nicht an Ausdruckskraft verlieren, einer, der weiß, wie schnell Überzeugungen zu bloßen Verkaufsschlagern werden können. Herman van Veen hat für sein Talent und seine Botschaft vielfältige Wirkungsbereiche gefunden. Er arbeitet als Komponist, Filmemacher, Autor, Schauspieler, Musiker, Sänger, Pantomime, Clown. Vergangenen Donnerstag gastierten er und seine hervorragende Band im Regensburger Audimax. Rund 1500 Besucher erlebten drei Stunden lang eine Show, die durch Musikalität, Lebendigkeit, Kritik und Komik überzeugte.


"Charly Chaplin ist das Schönste, was ich in meinem Beruf gesehen habe. Ein Mann, der auf sublime Weise mit Ironie und Zärtlichkeit umzugehen versteht, der einem das Lachen vergehen läßt auf eine so warme, einnehmende Art, daß man reicher davon wird." Auch Herman van Veen hat es sich zu eigen gemacht, ohne Zynismus menschliche Schwächen und Gedankenlosigkeit zu entlarven. Mut zur Phantasie, zur Ehrlichkeit zu sich selbst, Sensibilität für die Leiden anderer, das sind Ideale, die aus allen Liedtexten sprechen. Der Besucher schenkt dem Clown aus Holland ein Lächeln und wird auf diese Weise aufnahmebereit für dessen Kritik.

Van Veen vertraut auf die Macht der Worte und der Musik. Doch manchmal scheint er auch der Verzweiflung nahe über die wachsende Gefühlskälte. "Familien in Ost und West / die man nicht zueinanderläßt / nur Wolken ungehindert ziehn / von Ost- nach Westberlin / ist uns das heute schon egal. / Gebt jetzt ein Zeichen, ein Signal / daß Beharrlichkeit doch zum Ziele führt / daß ihr Schicksal uns berührt", heißt es im Titelsong "Signale".
Mit begeistertem Beifall belohnte das Publikum die musikalische Virtuosität Erik van der Wurff, der Klavier und Synthesizer bedient und der anderen Musiker (Nard Reijnders, Saxophon und Klarinett, Chris Lookers, Gitarre, Cees van der Laarse, Baßgitarre), deren Können einen guten Teil zum Abwechslungsreichtum der Show beitrug. Herman van Veen selbst hat die Fä- higkeit, alles zu Musik zu machen; jeder Laut, jeder Gegenstand wird zum Lied, zum Instrument und seine ganze Kunst schöpft aus die sem elementaren Gefühl und Rhythmen.

Sechs Zugaben bot der nimmermüde Holländer seinem Publikum.



Christine Riedel