WESER KURIER
Kristina Maidt-Zinke

Er tanzt und turnt, er tollt und tobt

Vier Abende Friede, Freude, Harlekin mit Herman van Veen in der „Glocke”

09.jan 1989

Nach längerer Pause ist er wieder einmal ausgezogen, um uns alle „ein wenig glücklicher zu machen”, wie die Promotion-Agentur verheißt. Herman van Veen ist immer noch und immer wieder possierlicher Märchenclown, kratzbürstiger Kuschelsänger und kinderlieber Glücksutopist, und zu Recht fragt sein Kollege Heinz Rudolf Kunze, der ihm die PR-Tex-te dichtet: „Wie macht er das? Wo nimmt er das seit über zwanzig Jahren her?” Das Motto seiner Tournee verrät, daß der holländische Prototyp des guten Menschen noch lange nicht gewillt ist, seinen Ruhestand zu genießen: „Bis hierher und weiter.”


Und weiterhin strömt die reifere Jugend zuhauf in seinen Traumzirkus und geht so begeistert mit, daß jeder andere Künstler jubeln müßte: „Ihr wart ein wunderbares Publikum!” Herman van Veen parodiert statt dessen einen rüden Rockstar, der auf seine Weise für die Ovationen dankt: „You’re so fucking intelligent in this fucking wonderful city of Bremen ...”
Sollte ihm öfter nach solchen Frechheiten zumute sein, weiß er sich jedenfalls zu behert-schen. Von der (handgreiflichen) Fühlungnahme mit den Fans bis zum obligaten Bad in der Menge ist er der schrecklich liebe Herman, der nimmermüde tanzt, turnt, tollt und tobt, mit Zauberspiegeln, Bällen und Rosen hantiert, Mut und Hoffnung versprüht und als Gipfel der Anstößigkeit eine Liedzeile in das kollektive Entzücken schleudert, die da lautet: „Dieser Tag ist wie ein Griff ins Klo.”

Er hat Witz und Geist und eine enorme Kondition, seine Tennisparodie etwa ist hochklassige Pantomimenkunst, und man wünschte nur manchmal, er würde sich seinem Friede-Freude-Harlekin- Image nicht gar so verpflichtet fühlen. Er hat eine Crew von talentierten Mitspielern, die auch mal als niedliche Monster oder Mohren durchs Bühnenbild huschen; er hat sein kunstreich gefertigtes Marionettenebenbild ebenbild und ein hinreißendes Skelett, mit dem er einen stummen Totentanz vollführt. Und er hat das unerschöpfliche Repertoire der van Veen-Evergreens, schmuseweich mit Biß, die allein schon genügen dürften, um ausverkaufte Shows zu garantieren. Dabei geht leider vieles im allzu dick aufgetragenen Synthi-Pop unter, obwohl der Holländer kurz zeigen konnte, daß er etwa den großen Glockensaal auch ganz ohne Verstärkung stimmlich zu füllen vermag.

Schwer zu sagen, wann das Programm endete und die Zugaben begannen: Es war jedenfalls alles da, von „Alfred Jodokus Kwak” bis „Susanne”, vom „zärtlichen Gefühl” bis zum „kleinen Fritz auf dem Kinderrad", von der Liebesschnulze (Verzeihung!) bis zum Anti-Apartheid-Song. In der Vorstellung, die wir besuchten, ließ der liebe Herman es sich nicht nehmen, für ein Häuflein von Unentwegten noch im Jogginganzug bis weit nach 23 Uhr weiterzusingen. Vielleicht war er einfach nur gut drauf, vielleicht aber gehört auch das inzwischen schon zum „must” des routinierten Entertainers Herman van Veen —

wir wissen es nicht.



Kristina Maidt-Zinke