Achimer Kreisblatt
Petra Meyer

Mit 47 immer noch das Kind

Hermann van Veen steht seit 25 Jahren auf der Bühne

8. dezember 19921

Hamburg. Für die einen ist Hermann van Veen der Clown und Träumer. Der seltsame elastische Gefühlsakrobat, der seine Gedanken in eine schillernd bunte Seifenblase verpackt. Für die anderen wird er für seine Naivität gescholten oder schlichtweg ignoriert. Doch die, die ihn lieben, sind ihm treu. Das deutsche Publikum hat den Holländer aus Utrecht zum ersten Mal 1974 im Hamburger Schauspielhaus gesehen. Er wurde, kein Best-, aber ein Longseller. Heute steht er seit 25 Jahren auf den Bühnen der Welt, seine Tourneen werden immer länger und seine Fans mit ihm immer älter.


Pünktlich zum Jubiläum stellt er sich dem Journalistenpulk -sichtlich gut gelaunt zwischen seinen Textern Heinz Rudolf Kunze und Thomas Woitkewitsch. Im Gepäck hat er seine neue Platte „You take my breath away“. Nichts eigenes bringt der Holländer damit auf den Markt. Dafür singt er Popklassiks wie zum Beispiel „Suzanne“ von Cohen oder „Blackbird“ von John Lennon und Paul McCart-ney. Ach ja, der gute alte Hermann. Auch noch mit 47 Jahren ist er das Kind, das weint und lacht. Er erzählt von dem alten Musiker an der Brücke, von dem wunderschönen Baum und dem tollen Leben. Auf Fragen antwortet er mit keinem Ja oder Nein, sondern mit kleinen Geschichten, mit Bildern und seinen Träumen.

Für diesen Mann spielt sich das Leben nicht in der Weltpolitik, auf dem Schlachtfeld oder in der Wirtschaft ab. Nein, in der Küche, im Badezimmer, in der Wohnstube, da wird richtig gelebt. Und wahrscheinlich sei dieses Leben viel wichtiger als die Dinge, über die man sich so seine großen Gedanken macht. Es ist der junge Hund an seiner Seite, der ihn während der Tagesschau von Selbstmordgedanken abhält. Aber so einfach ist es eben doch nicht. Gerne, erzählt van Veen, wäre er Volksmusiker geworden. Das gehe aber nicht, „dafür bin ich viel zu kompliziert und habe zu viel gesehen.“

Der Holländer verblüfft immer wieder mit Antworten zu jedem Problem, mit seiner Meinung, die er scheinbar fertig mit sich in der Tasche herumträgt.Egal ob nach seiner Lieblingsspeise gefragt wird oder nach Rechtsradikalismus. Auf jeden Fall will Hermann van Veen etwas bewirken, und sei es nur als der vielbeschworene stete Tropfen auf den Stein. Wenn es aber um Politik geht, schweigt er schon mal, wendet den Blick zur Decke und rauft das sich mit den Fingern Resthaar.

Aber dann will Hermann van Veen doch wieder positiv denken, denn „eigentlich leben wir in einer grandiosen Zeit.“
Aufhören zu singen? Für Hermann van Veen ein völlig fremder Gedanke. „Ich bin vielleicht nicht der beste Künstler der Welt. Aber ich gewinne alle Goldmedaillen, weil ich meinen Job liebe. Es gibt mich, wenn ich singe. Wenn ich singe, fliegen die Probleme mit dir weg.“

Dann ist er superglücklich und weiß, daß er seine Geige auch noch in hundert Jahren spielen will.
„Ich sah einen alten Mann an der Brücke, der spielte für ein paar Pfennige Akkordeon. Und dann kam ein kleiner Junge und stellte sich direkt vor der Nase des alten Mannes auf. Und der Mann nahm sein Akkordeon und spielte nur für diesen Jungen. Wenn mich kein Arsch mehr hören will, mache ich es genauso.“

Hermann van Veen ist, was er ist und hat keine Lust, über sein Image nachzudenken. Müde ist er nach den drei Stunden, die ihn die Journalisten gelöchert haben. „Ich habe keine Antworten mehr“, gesteht Hermann van Veen, wendet sich mit traurigen Augen an die Vertreter der Plattenfirma und fügt hinzu:

„Ich habe Angst.“



Petra Meyer