Wienerwald-Zeitschrift
Manfred Sack

Manfred Sack über Herman van Veen

8 sept 1976

Van Veen? Noch darf man fragen, wer das sei, ohne sich zu blamieren. Niederländer ist er, neunundzwanzig Jahre alt, in Utrecht examiniert in Geige und Gesang und somit gegen einen dummen Vorwurf gefeit, er hätte nichts gelernt. Aus Körperlänge und Haltung ergibt sich zwanglos die Bezeichnung langer Lulatsch. Das sind die Personalien. Und was ist er? Er ist alles. Er ist ein Unterhalter, wie ihn als so komplexe Figur sonst nur ein Lexikon zu montieren wagt: Er ist Sänger und Geiger, er hat etwas von einem Schauspieler und einem sprunggewandten Tänzer (mit der Fähigkeit zum Battement) er ist Pantomime, Parodist, Imitator, Geschichtenerzähler, kurzum: ein Spaßmacher und ein Erzieher, ein Clown, wie die Zeit ihn braucht und ihn sich ja auch hervorgebracht hat: Weiser, Moralist und Rotznase.


Nur muß man gleich erwähnen, daß Herman van Veen, wenngleich der optimus inter pares, einer ist von vieren auf der Bühne, nur daß die anderen nichts als Musiker sind, aber was für welche! Ginge man danach, wie sie sich aufführen, fände man nur Wörter wie unauffällig, bescheiden, nützlich.
Wendet man sich ihrer Musik zu, muß man ungleich höher langen: Sie ist von packender Originalität und in ihrer Art so unerhört unbefangen wie weitend die der jungen Beatles. Sie klingt oft gefährlich schön und wiegt sich sanft dahin, aber dann fahren spröde Wendungen dazwischen. Nicht einen Augenblick lang ist sie sentimental. Das macht ihre Lässigkeit, das liegt nicht zuletzt an der pikanten Instrumentation und den ungewöhnlichen Klangfarben, die sie mischt, zum Beispiel Gitarre, Tuba, elektrisches Klavier. Manchmal Wechselt die Besetzung auf Baritonhorn, Flügel, Elektroorgel; es gibt eine Kesselpauke, die dann und wann geschlagen wird, und es gibt van Veens melancholisch jubelnde Geige.

Wie allein die Tuba ihrer Tradition widerspricht: kein knapp geblasener subalterner Militärbaß, sondern ein sanfter Geselle von trockenem Humor. Er ist eine ganz wichtige Farbe im Arrangement. Der Bläser heißt Hans Koppes.

Ein paarmal erfährt das Publikum etwas von der virtuosen Brillanz des Quartetts. Da wird man zuerst den Gitarristen Harry Sacksioni nennen, der mit seinem zweiten Solo einen Sturm von Beifall in Bewegung setzt. Da erinnere ich mich an ein Orgelintermezzo, in das sich die Gitarre einmischt und dann die Geige mit grellen Eskapaden, bis ihr die Melodie wieder entrissen wird vom Organisten und Pianisten, der wie keiner sonst diesen Abend musikalisch trägt - man bemerkt ihn kaum, aber er ist die Seele vom Geschäft: Erik van der Wurff.
Natürlich muß man den Geiger Herman van Veen nennen, der zum Beispiel auf der Basis dreier nach und nach hervorgeholter Töne ein spannendes kleines widerborstiges Stück mit rhapsodischen Temperamentsausbrüchen erzählt, dräunende Orgelklänge dazukriegt und der dann, laut Unverständliches stammelnd, aus dem Wohlklang springt.

Im Grunde aber ist die Musik vor allem Komplemetärfarbe des Textes.



Manfred Sack Wienerwald-Zeitschrift Van Veen? Noch darf man fragen, wer das sei, ohne sich zu blamieren. Niederländer ist er, neunundzwanzig Jahre alt, in Utrecht examiniert in Geige und Gesang und somit gegen einen dummen Vorwurf gefeit, er hätte nichts gelernt. Aus Körperlänge und Haltung ergibt sich zwanglos die Bezeichnung langer Lulatsch. Das sind die Personalien. Und was ist er? Er ist alles. Er ist ein Unterhalter, wie ihn als so komplexe Figur sonst nur ein Lexikon zu montieren wagt: Er ist Sänger und Geiger, er hat etwas von einem Schauspieler und einem sprunggewandten Tänzer (mit der Fähigkeit zum Battement) er ist Pantomime, Parodist, Imitator, Geschichtenerzähler, kurzum: ein Spaßmacher und ein Erzieher, ein Clown, wie die Zeit ihn braucht und ihn sich ja auch hervorgebracht hat: Weiser, Moralist und Rotznase. Nur muß man gleich erwähnen, daß Herman van Veen, wenngleich der optimus inter pares, einer ist von vieren auf der Bühne, nur daß die anderen nichts als Musiker sind, aber was für welche! Ginge man danach, wie sie sich aufführen, fände man nur Wörter wie unauffällig, bescheiden, nützlich. Wendet man sich ihrer Musik zu, muß man ungleich höher langen: Sie ist von packender Originalität und in ihrer Art so unerhört unbefangen wie weitend die der jungen Beatles. Sie klingt oft gefährlich schön und wiegt sich sanft dahin, aber dann fahren spröde Wendungen dazwischen. Nicht einen Augenblick lang ist sie sentimental. Das macht ihre Lässigkeit, das liegt nicht zuletzt an der pikanten Instrumentation und den ungewöhnlichen Klangfarben, die sie mischt, zum Beispiel Gitarre, Tuba, elektrisches Klavier. Manchmal Wechselt die Besetzung auf Ba ritonhorn, Flügel, Elektroorgel; es gibt eine Kesselpauke, die dann und wann geschlagen wird, und es gibt van Veens melancholisch jubelnde Geige. Wie allein die Tuba ihrer Tradition widerspricht: kein knapp geblasener subalterner Militärbaß, sondern ein sanfter Geselle von trockenem Humor. Er ist eine ganz wichtige Farbe im Arrangement. Der Bläser heißt Hans Koppes. Ein paarmal erfährt das Publikum etwas von der virtuosen Brillanz des Quartetts. Da wird man zuerst den Gitarristen Harry Sacksioni nennen, der mit seinem zweiten Solo einen Sturm von Beifall in Bewegung setzt. Da erinnere ich mich an ein Orgelintermezzo, in das sich die Gitarre einmischt und dann die Geige mit grellen Eskapaden, bis ihr die Melodie wieder entrissen wird vom Organisten und Pianisten, der wie keiner sonst diesen Abend musikalisch trägt - man bemerkt ihn kaum, aber er ist die Seele vom Geschäft: Erik van der Wurff. Natürlich muß man den Geiger Herman van Veen nennen, der zum Beispiel auf der Basis dreier nach und nach hervorgeholter Töne ein spannendes kleines widerborstiges Stück mit rhapsodischen Temperamentsausbrüchen erzählt, dräunende Orgelklänge dazukriegt und der dann, laut Unverständliches stammelnd, aus dem Wohlklang springt. Im Grunde aber ist die Musik vor allem Komplemetärfarbe des Textes.