Unser Kind
Peter Matthäus

DONALD DUCK KRIEGT KONKURRENZ

8 aug 1985

Welt-Uraufführung in Hamburg: Es gibt eine neue Kinder-Oper. Ihr Held - eine Ente. Wir fragten den Komponisten, Popstar Herman van Veen, warum er meint. daB Kinder solche Musik brauchen Ich arbeite am liebsten mit Kin- dern, weil sie sich noch wundern können, weil sie so wach sind. Ein Jammer, daß sie eines Tages erwachsen werden." Der das sagt, ist Entertainer, Clown, Komödiant, ein Popstar, dem auf seinenTourneen Hundertausende applaudieren, einer der Großen im Showgeschäft, der die Kleinen aber nicht vergessen hat - Herman van Veen.


Nach der Veröffentlichung mehrerer Kinderbücher hat er jetzt ein musikalisches Märchen erdacht und in Hamburg uraufgeführt. "Die seltsamen Abenteuer des Alfred Jodocus Quak" handeln von einer schlauen Ente, die denen helfen will, die von allem nur ein ganz kleines bißchen haben. "Es gibt etwas, das kleine Leute lernen sollten, und die Großen, die es vergessen haben, sollten sich erinnern: Das ist das Teilen. Unser Besitztum, unser Glück, unser Leid und vieles, vieles mehr.

Ein Sinfonieorchester mit 60 Musikern, die Van-Veen-Band und die Schauspieler stehen bei der 90minütigen Aufführung, die vom 8. bis 25. August im Hamburger Schauspielhaus läuft, auf der Bühne. Die Musik: Eine Mischung aus Elementen des Kinderliedes und der klassischen abendländischen Konzertmusik.

Van Veen: "Sechzig Musiker - eigentlich ein Wahnsinn, was die Kosten betrifft. Aber ich wollte keinen Kompromiß, weil ich den Kindern die sinfonische Musik nahebringen will. Ihnen werden heute viel zu früh die Ohren mit Pop und Schmalz verkleistert. Dabei ist gute, ernste Musik, die ihrer' Gefühlswelt entspricht, ihre Phantasie fördert und ihre Gedanken anregt, so wichtig für Kinder."

Der 40jährige Holländer ist ehrenamtlicher Botschafter der UNICEF, des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen. Ein Teil der Einnahmen aus dem Musikmärchen "Quak" geht denn auch an die internationale Hilfsorganisation. 1968 gründete er eine Stiftung, die in der Dritten Welt Hilfe zur Selbsthilfe leistet, "Unser Ziel ist es, Krankenhäusern Ausrüstungen für die Geburtshilfe zur Verfügung zu stellen. Denn Babys müssen geboren werden und dazu braucht man medizinische Hilfe". Zur Zeit wird vor allem eine Kooperative in Manila auf den Philippinen unterstützt. 400 000 Mark wurden bereits dorthin überwiesen.
Woher kommt sein Engagement für Kinder? "Das liegt bestimmt daran, daß ich selbst eine wunderschöne Kindheit hatte", erzählt er. "Wir hatten das Furchtbare des Krieges hinter uns und das Ungewisse, Neue vor uns. Zu Hause war ich glücklich. Verwandte, Nachbarn, Kaufleute, Markthändler, das war wie eine große Familie. Die Frauen so, wie man sie sich vorstellt: Arme verschränkt, Schürze um, wartend vor dem Haus, bis man aus der Schule und der Mann von der Arbeit kommt; Täßchen Tee, Zwieback, jeden Tag frische Unterwäsche und einmal in der Woche einen großen Waschzuber."

Das Glück der eigenen Jugend möchte Herman van Veen weitergeben an die Generation seiner Kinder und Enkelkinder. Ob ihm das bei seinem eigenen Nachwuchs (vier Kinder zwischen 2 und 17 Jahren) gelingt, ob der Schöpfer des gefühlvollsten Kinderliedes unserer Zeit ("He, kleiner Fratz, auf dem Kinderrad") ein guter Vater ist? Herman van Veen überlegt lange: "Ich habe von meinen Kindern mehr gelernt als sie von ihrem großen Vater." Dann schmunzelt er: "Ich glaube, so ein guter Vater bin ich nicht, weil ich doch so gerne jeden Käse, den die Kinder veranstalten, mitmache. Streng kann ich auch nicht sein. Aber verständnisvoll."

Deshalb kann Vater van Veen auch nichts mit dem Wort Autorität anfangen. "Gut, man sollte die Erfahrungen ins Spiel bringen. Ich nenne das zärtliche Gewalt, aber zwischen laut und aggressiv ist doch ein Unterschied. Damit habe ich bei meinen Kindern nur Positives erreicht."

Die Familie spielt in seinem Leben eine wichtige Rolle. Obwohl er bei 120 Konzerten im Jahr viel unterwegs ist. "Meine Frau und meine Kinder brauchen mich und ich brauche sie. Ich unterbreche meine Arbeit und Tourneen immer, um wieder ein paar Tage daheim zu sein. Ein Teil meines Lebens gehört meiner Familie, ein anderer der Arbeit für Erwachsene und Kinder, die nichts zu essen und nichts zu sagen haben. Ich finde, jeder Mensch sollte einen Teil seines Lebens für andere dasein."

Daß er dies ernst meint, zeigt die Tatsache, daß er das finanzielle und künstlerische Risiko auf sich genommen hat, mit seinem musikalischen Kindermärchen (Produktionskosten 700 000 Mark) für Toleranz und Hilfsbereitschaft zu werben. Seine Liebe zu den Menschen ist seine private Antwort auf unsere nicht immer heile Welt. Und seine Hoffnung ruht auf den Kindern.
"Kinder sind einTeil unseres Erwachsenenlebens, der nicht immer ernst genommen wird. Aber Kinder sind genauso wichtige Partner wie jeder Erwachsene. Wir müssen ehrlicher zu den Kindern sein, dann sind sie auch ehrlicher zu uns. Liebevoller, großzügiger, verständnisvoller. Dann bekommen wir alles reichlich von den Kindern zurück."

DER KOMPONIST REKORDE AUF DER KONZERTBÜHNE

Herman van Veen (40) studierte am Konversatorium seiner Heimatstadt Utrecht (Holland) Musik, Geige und Gesang. 1967 stellte er sein erstes Soloprogramm vor. Titel. Harlekijn. Im gleichen Jahr gründete er das Multimedia-Projekt "Harlekijn-Holland", das Theateraufführungen, Filme, Schallplatten Fernsehspiele, Bücher und Zeitschriften produziert. 1974 folgten erste Auftritte in Deutschland, 1982 mehrere Bücher, drei Kinderbücher, vier Schauspiele, Spiel- unc Fernsehfilme sowie 45 Langspielplatten. In Hamburg ist er mit 2C ausverkauften Konzerten in Folge zum erfolgreichsten Popsänger aller Zeiten geworden.

DIE GESCHICHTE WIE DIE ENTE ALFRED KÖNIG WIRD

Die "Seltsamen Abenteuer des Alfred Jodocus Quak" erzählen die Geschichte der Ente Quak, die eines Tages erfährt, daß es Landet gibt, in denen die Tiere vor Durs umkommen. Gemeinsam mit ihrer Freunden macht sie sich auf der Weg, um zu helfen. Nach allerlei Abenteuern wird sie König im "Ohne-Wasser-Land", der auch für die sorgt, die nur ganz wenig haben.



Peter Matthäus