Neue Vorarlberger Zeitung
Eva Jakob

Herman van Veen in Bregenz:

,,Total verrückter Holländer“

8 mrt 1984

Er ist ein Clown, ein Zauberer, er spielt Geige, Klavier, kann tanzen wie Fred Astaire und singen wie Zarah Leander — in einem aber ist Herman van Veen unvergleichlich: sein soziales Engagement bestückt er mit einem Wunder von Unterhaltungselementen so, daß niemand sich von seinen Warnungen und Mahnungen bevormundet fühlt.


über das Thema Arbeitslosigkeit haben andere ganze Filme gemacht, der verrückte Holländer“ — Veen über sieh selbst — spielt einen Ein-Mann-Sketch. Bevor er auf Stellensuche noch seine Fähigkeiten aufzählen kann, wird ihm die imaginäre Tür schon vor der Nase zugeschlagen.

Seine Aufzahlungen werden immer kürzer, bestehen schießlich nurmehr aus einem Wort. Er wendet sich an eine andere Instanz. Muß einfach reden. Und da bricht der ganze Jammer aus ihm hei aus, dicht, erschütternd, einprägsam.

Das Besondere an van Veen aber ist ein sicherer Instinkt, der ihm haargenau sagt, wieviel er seinem Publikum zumuten darf. Bevor man sich noch vom Thema gelöst hat, ist er schon wieder der Clown, jongliert und zaubert in komisch-hilfloser Übersteigerung mit Ping-Pong-Bal-len oder serviert einen seiner Songs, deren erste Takte das Publikum im vollbesetzten Bregenzer Festspielhaus schon mit Applaus honoriert.

Aber damit ist es immer noch nicht genug. Über die Pantomime bedient sieh der Holländer auch des Absurden. ln schwarz zerknittertem Frack steht er auf der Buhne, Gegenpol ist ein Mann in elegant-geschniegeltem weißem Gewand.
Van Veen versucht eine Kommunikation, er beschnuppert ihn geradezu. Der Weiße ist wie aus Eis. Was wird passieren? Van Veen nimmt ihn auf die Arme und trägt ihn einfach weg. Kürzer, griffiger, konnte man dem Gedanken nicht beikommen.

ln der Bewunderung für Veen muß man sich eines vergegenwärtigen: Wie viele Gefahren einer Klischee-Interpretation lauern allein in diesen wenigen Minuten. Der Holländer erliegt ihr nicht. Nicht bei dieser Szene, niemals in seinem gesamten, drei Stunden dauernden Programm.

Einen Messias würden wir brauchen, denkt van Veen, der uns aus unseren bedrohlichen Verstrickungen lösen könnte. Geknickt, einsam steht er da, kann vom Fünkchen Hoffnung nicht lassen:

„Komm doch wieder, vielleicht klappt’s beim zweiten Mal.“