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Alexander Borrmann

Wunderbar die Wirklichkeit umarmen

„Gemischte Gefühle“ - Lieder, Gedichte, Verse und Regeln von Herman van Veen

8. Januar 1993

Die Karriere des Niederländischen Liedersängers Herman van Veen ist beeindruckend. Er hat bisher mehr als 50. CDs-in vier Sprachen herausgebrachtt, seine Live-Auftritte besonders als Clown begeistern über die hinweg. Er scheint die Magie zu besitzen, jeden Menschen,den er direkt oder indirekt anspnricht in seinen Bann zu ziehen.


Am Erfolg in Deutschland ist auch sein Übersetzer und früherer Produzent, der Schlagertexter Thomas Woitkewitsch, maßgeblich beteiligt. Allerdings zeichnen sich seine Übersetzungen nicht durch gleichbieibend hohe Qualität aus.

Nun liegt ein Buch mit Gedichten. Versen, Regeln und Geschichten vor „Gemischte Gefühle“ nennt sich das Bändchen, und der Titel ist Programm. Die Texte arbeiten gekonnt mit den Mitteln der zeitgenössischen Poesie, mit rhetorischen Figuren („Kalt ist der Tod/ der Tod ist kalt“), mit Wiederholungen, Abbrüchen, verqueren Entsprechungen. Dazu gehören durchaus auch Schockeffekte, wie sie die politische Lyrik bevorzugt.

Humorig stets auf einem schmalen Grat wandernd, ironisiert van Veen das Durchschnittsleben, immer aber mit dem Gestus der Vertrautheit: Wir gehören schließlich alle dazu. Und wenn „junge Männer für Landkarten krepieren“ werden, einer den falschen Mann totschießt, die Leöensregeln mehr und mehr versagen, das Drogenmädchen keinen Ausweg weiß, so gilt für den Sänger stets noch die Devise: „Hermann, vielleicht kannst du darüber ein kleines Liedchen schreiben.“

Die Lieder halten den Widerspruch der Gefühle und die Hilflosigkeit fest, etwa wenn van Veen die 16jährige Drogenabhängige sagen läßt: „Mutter/ ich will keine Hilfe/ warum hilfst du mir nicht.“ Und sie arbeiten mit dem Perspektivwechsel, etwa der Frage: „Und/ Wie würden/ die Dinge über,uns denken?“ Manchmal allerdings kippen die Texte vom schmalen Grat ab und stürzen ins Sentimentale.

Beinahe nebenher, mit sehr viel niederländischer Selbstverständlichkeit, wird dem lieben Gott im Himmel erklärt, daß er die Menschen-Ebenbildlichkeit, verwirkt hat, denn immerhin „gleicht ei* auch Saddam Hussein“.

Van Veen hält in seinen Liedern zugleich den Anspruch fest, daß „das Wunderbare die Wirklichkeit umarmen“ kann, was gelegentlich ins Süßliche führt. Doch immerhin ist es diese Zuversicht, die sein Publikum bei ihm hält und die es ihm mit gleichbleibender Treue und Zuneigung quer durch die Generationen immer wieder dankt. Und das ist viel in dieser Zeit.

Hermann van Veen. Gemischte Gefühle. Gedichte, kleine Verse, Regeln und Geschichten. Rowohlt Taschenbuch Verlag. Reinbek 1992. 115 Seiten.



Alexander Borrrmann