Neue Ruhr-Zeitung
UTE GRUNDMANN

Ein Menschenfreund beklagt die Heuchelei

8 jan 1986

Nebelschwaden ziehen Ins Parkett, hinter dem Vorhang knallt und raucht es, zarte Gelgentöne erklingen - doch der Star des Abends trottet durch den Mittelgang. Herman van Veen beginnt seine Show mitten im Publikum. Ein leiser Auftritt nach dem Knalleffekt, der sein neues Programm „Een Holländer' eröffnete. Eindringliche Lieder und komische Spielszenen ließen die Premierenzuschauer für zweieinhalb Stunden verzückt jubeln. Drei Konzerte gibt der holländische Entertainer In Duisburg.


Den Geigenkasten auf der befrackten Schulter, einen Koffer samt Teddybär in der Hand, auf dem Kopf einen schwarzen Schellenhut - wie ein armer, fahrender Musikant tritt Herman van Veen auf die Bühne. Und als erstes deutsches Lied singt er denn auch die Verse eines mittelalterlichen Barden (und Vorgängers? ): Walther von der Vogelwei-des weltschmerzliches „Wo ist Herman van Veen die Zeit geblieben?"

Dessen Klage über eine Welt voll Heuchelei und Kälte kehrt in van Veens Texten und.Lie-dern an diesem Abend immer wieder. Die bleiben das starke Moment seines Programms, trotz der spannenden, komischen und grotesken Szenen drumherum. Van Veen mimt eine perfekte Tennisparodie samt Boris-Becker-Siegerpose (prompt ruft einer „Mats Wi-lander!“), führt in einer langen, überdrehten Szene vor, daß der Mensch doch nicht fliegen kann.

Das Mikrophon wird zum Telefonhörer, in den er ein Kindergespräch hineinflüstert („Schlaf ein, mein Kind, schlaf ein, du kannst nichts Klügeres machen"). Dann schleppt van Veen eine große Kiste nach vorne, verkriecht sich unter dem Deckel, die Radiotöne von schlimmen Weltnachrichten ändern sich zum leisen Vogelgezwitscher der Kindheit. „Wo ist das Kettenkarrussell?" träumt er singend - doch Herman van Veen muß wieder in die Wirklichkeit.

Die besingt er dann mit den bekannten (und freudig begrüßten) „Klitschnassen Clowns", aber auch mit einem bitterbösen „Kyrieleis". Mit dem lieben Herrn Jesu und „seinem Markenzeichen" ließen sich ganz wunderbar Geschäfte machen - „und die Armen werden ärmer, die Reichen kriegen mehr“. Die schönen, schwierigen Gefühle, die Menschen mit „den Augen aus Eis“ besingt Herman van Veen, von den Zuhörern in der gut besuchten Mercatorhalle frenetisch und im Takt beklatscht.

Zum guten (Zugaben) Ende sangen und summten dann alle, Fans und ihr Star, einträglich „gemeinsam, alle Hand in Hand."



UTE GRUNDMANN