Berliner Morgenpost
Peter Müller

Herman van Veen sitzt der Schalk im Nacken

7 dec 1984

Er ist ein sentimentaler Clown, ein sensibler Gaukler, der seinem Publikum den poetischen Spiegel vor das Gesicht hält, der sich aber auch nicht scheut, mit kindlicher Logik menschliche Schwächen und Fehler vorzuführen. Er macht damit die Irrungen und Wirrungen menschlichen Denkens um so klarer. Herman van Veen, der 39jährige holländische Entertainer, ist in Berlin. Mit seinem Programm "Signale" ist er noch bis Sonntag im kleinen Saal 2 des ICC zu erleben. Und wahrlich, es ist ein Erlebnis.


Die Clowns, von denen er singt, von denen er erzählt, sie laufen frei herum. Ihre Masken sind echt, sie spielen ihre Rolle professionell im Leben. Van Veen redet und singt von Ängsten. Von der Angst, die Menschen könnten das Lachen und Lieben, das Singen und Tanzen verlernen. Und er redet und singt von der Angst vor der Bombe. Ein gewaltiger, blutroter Riesenluftballon schwebt, allgegenwärtig, über die Bühne. Ist es die Sonne der Fröhlichkeit oder strahlt der Feuerball bald heller als tausend Sonnen? Van Veens Lösung ist simpel: Wenn die Musik nur schön genug ist, kommen die Menschen gar nicht erst auf dumme Gedanken. Liebe Deinen Nächsten heißt seine Botschaft.

Van Veen auf der Bühne ist ein theatralisches, pantomimisches, mal komisches, mal ernstes Bündel der Herzlichkeit. Er jongliert mit Tennisbällen, monologisiert mit einem Tennisball im Mund, setzt sich die rote Clownsnase auf und macht lachen. Er singt. Das tut er immer sanft und voller Mitgefühl. Unterstützt wird er dabei, von vier exquisiten Musikern, die Van Veens Signale, die ensetzt, in wohlige Klänge winden. Erik van der Wurff an den Tasten, Nard Reijn- ders an Saxophonen und Akkordeon, Chris Lookers an der Gitarre, Cees van der Laarse am Baß. Und van Veen spielt mit der Geige dazu, verliert plötzlich die süßen Töne und beginnt sie in den voluminösen Lautsprecherboxen zu suchen.
Der Schalk bricht immer wieder aus ihm hervor . Er provoziert ein gefühlvolles Wechselbad. Er gibt sich ganz und am Ende dieser mehr als zwei Stunden van Veen hinterläßt er, der vielfach Ausgezeichnete und Prämierte, der UNICEF-Beauftragte, der All- round-Künstler, ein überwältigtes, bezaubertes, glückliches Publikum.

Selten klang ein Applaus so ehrlich.



Peter Müller