Lippische Landeszeitung
Christine Alber-Longere

Weil man so schön spinnen kann

7 okt 1988

Beverungen (Eig. Ber.). Mit roten Rosen und Beifallsstürmen, die auch nach unzähligen Zugaben nicht nachließen, feierten ihn seine Fans: Herman van Veen ist wieder da. Nach Koblenz war Beverungen die zweite Station der großen Tournee, die das liebenswerte Multitalent aus den Niederlanden bis Mai nächsten Jahres kreuz und quer durch die Republik führt. Fast drei Stunden lang hielt dieser Poet im Clownsgewand mit einer perfekten Show und Liedern, die unter die Haut gehen, an zwei Abender hintereinander ein rund tausendköpfiges Publikum in Atem. Über seine Arbeit, sein neues Programm die Erwartungen und Hoffnungen, mit denen er auf die Bühne geht, sprach diese Zeitung mit Herman van Veen vor dem ersten Auftritt in Beverungen.


Frage: Wie war der Start der Tornee?
Herman: Überraschend gut. Ich war lange nicht mehr im deutschen Bereich beschäftigt und habe erst immer ein bißchen Probleme mit der Sprache.

Frage: Vor drei Jahren warst du zuletzt in Beverungen. Was hat sich seitdem in deinem Programm verändert?
Herman: Mein neues Programm heißt „Bis hierher und weiter". Thema ist jemand, der wie ich mit 43 Jahren auf halbem Wege ist. Ich blicke zurück und blicke nach vorn und frage mich: Wieso war das, und wieso wird das sein? Also eine sehr assoziative Geschichte, so, wie ich immer arbeite.

Frage: Du bist seit über zwanzig Jahren ehrenamtlicher Botschafter des niederländischen Komitees der UNICEF und hast die Stiftung „Colombi-ne“ gegründet, die sich grenzüberschreitenden Problemen in aller Welt i widmet. Vermittelst du auch auf der Bühne eine Botschaft?
Herman: Na ja, eigentlich geht es in dem Konzert um das Gleichgewicht. Auch in der Musik spüre ich dem Gleichgewicht nach. Und ich versuche auf immer andere Weise das gleiche zu erzählen, daß niemand glücklich sein kann, solange es einen Menschen gibt auf der Welt, der nicht glücklich ist. Solange es so vielen schlecht geht, haben wir keine Chance, je zivilisiert zu werden und die Bezeichnung Mensch zu verdienen. Davon spreche ich dann auf Bühne als Clown, und im privaten Leben versuche ich es auf andere Weise.

Frage: Mit Liedern und auch Fernsehproduktionen hast du dich speziell an die Kinder gewandt. Was bewegt dich, für Kinder zu arbeiten?
Herman: Weil man so schön spinnen kann. Erwachsene fragen immer: Wieso? Wenn ich auf der Bühne bin, kämpfe ich dauernd damit, verständlich sein zu müssen. Wieso soll es verständlich sein? Was wir begreifen, ist unser Schicksal, das ist das Ende der Dinge. Man sollte vielmehr dem, was man nicht kennt, vertrauen. Aber das ist schwierig, dann muß man aus dem Schatten kommen. Das macht es so schön, mit Kindern zu arbeiten, weil sie unbegrenzt sind in ihrer Phantasie und all diese Ängste der Erwachsenen nicht haben. Für Kinder arbeiten ist Freiheit. Darum bin ich in diesem Beruf, weil es der einzige ist, wo ich mich noch frei fühle.

Frage: Und vielleicht auch etwas bewirken kann?
Herman: Vielleicht. Da habe ich nicht so viel Hoffnung. Es wäre schön, wenn etwas im Unterbewußtsein hängenbliebe und man etwas Positives damit aus-richten könnte.

Frage: Was ist zu tun?
Herman: Projekte wie „Colombine" sehe ich als Metapher dafür, daß wir es ohneeinander nicht schaffen. Zum Beispiel bauen wir gerade eine Krebsklinik in Holland. Dahinter steht die Überzeugung, daß die Erde ein Raumschiff ist. Wir können es nicht verlassen und nicht sagen: Damit haben wir nichts zu tun, das ist deine Sache. Es ist unsere Sache! Solange wir das nicht wahrhaben wollen, passiert mit uns, was passiert. Etwas zu unternehmen, macht mich glücklich. Man wird selber auch reicher als Mensch.

Frage: Fließt etwas von diesen Erfahrungen in deine Lieder ein?
Herman: Das wirst du heute abend sehen bei dem Konzert, wie sich das manifestiert in Kunst. Ich bin Entertainer. Clown. Lachen hat etwas mit Befreiung zu tun. Es gibt nicht viel zu lachen, aber jedem, der mich zum Lachen bringt, bin ich dankbar.

Frage: Wie bereitest du dich auf deine Konzerte vor?
Herman: Ich denke den ganzen Tag. Dann verändere ich wieder etwas und schreibe etwas dazu. Das ist so eine Art von Spiel: Wie kann man so unklar wie möglich sein und damit ein Resultat erreichen, das so klar wie möglich ist, verstehst du? Das macht Spaß.

Weitere Konzerttermine: 12. und 13.

Oktober Kassel, Stadthalle; 15. und 16. Oktober Paderborn, Sporthalle.



Christine Alber-Longere