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Karin von Faber

Der Mann, der sich Gefühle leistet

07 jan 1980

Herman van Veen
Ein Sänger, Tänzer, Clown und Musikant aus Holland bringt den Deutschen bei, daß Unterhaltungauch ganz anders sein kann Froschaugen, die böse glubschen können. Im farblosen Langhaar waren die Motten.



Auf dem vorderen Teil des Kopfes, der schon blank ist, spiegelt sich ein Scheinwerfer. Herman van Veen, 35, trägt Jeans und Turnschuhe und selbstbewußte Häßlichkeit Er malmt an Streuselkuchen. Und protestiert.

"Mit Politik will ich nichts zu tun haben. Ich bin weder links noch rechts, nicht nördlich, nicht südlich. Clown bin ich,- Hofnarr, Harlekin, frech genug zu sagen: Der Kaiser hat ja keine Kleider an."

Ein Inselchen, irgendwo zwischen Utrecht und Amsterdam. Viel Wasser ,viel Himmel, ein buntes Hauschen: Die drehen eine neue Folge de r Kinderreihe "Die seltsamen Abenteure des Herman van Veen<.

Titel der neuen Reihe, für die es noch keinen Sendetermin gibt: "Herman und die sechs" Regisseur, Autor, Geldgeber, Hauptdarsteller: Herman van Veen.

"Ich schreibe so gern für Kinder, weil sie sich noch wundern können, weil sie so wach sind. Ein Jammer, daß sie eines Tages erwachsen werden und dann so sind wie wir: unehrlich, geldgierig, banal, ordinär. Glücklicherweise gibt es noch Leute, die sich einen Rest von Kindheit im Herzen bewahrt haben." Seit 1968 ist er Hollands Botschafter für UNICEF. Ein Job, der viel Zeit, viel Geld kostet. Vorletztes Jahr startete Herman van Veen eine Aktion mit dem Ziel, Krankenhäusern in Ländern der Dritten Welt Ausrüstungen für Geburtshilfe zur Verfügung zu stellen. Der Erfolg war uberwaltigend.

Für so etwas will er sich nicht feiern lassen:"Babys müssen geboren werden . Und dazu braucht man medizinische Hilfe" Herman van Veen hat drei Kinder, zwei davon aus erster Ehe. "Ich war dabei, als sie geboren wurden. Das Wunderbarste, was ein Mann erleben kann. Man sollte überhaupt kein Wort darüber sagen, so verdammt schön ist das. Ein riesiger Kuß..."

Geschieden ist er dennoch. "Wenn man sich auseinanderentwickelt hat, muß man die Konsequenzen ziehen."

Über seine Scheidung hat er jetzt einen Film gedreht. Im Sommer kommt er in deutsche Kinos. Titel: Getrennt" Es drängt ihn - auf eine fast paranoide Art -, immer die ganz großen Fragen zu stellen. Vom lieben Gott will er sprechen, dem die Kinder noch so nahe sind. In einem seiner Lieder beschreibt er, wie er das Haus Gottes sucht und drinnen eine alte Frau findet. "Großmütter haben so so zartliches Gesichter. Warum soll Gott keine alte Frau sein?

Sind Frauen stärker als Männer?

"Nein, wir sind alle gleich. Nur die Frauen haben es so eingerichtet, daß die Männer in den Krieg müssen."

Das sind seine Themen: das Schlimme, das einer dem anderen antut, die Angst vor dem Leben, die Angst vor dem Sterben.

Als Poet und Nichtsnutz, als Showmann und Weltverbesserer sagt er's mit Pop und Paukenschlag, mit Pathos und Klamotte. Im Herbst zog er durch Europas Konzertsäle - den großen Saal des Congress-Centrums in Hamburg füllte er zehnmal. Und weil die sonst so kühlen Hanseaten sich an Herman van Veen nicht sattsehen und -hören konnten, kam er im Februar wieder. Auf der Bühne, ganz in Schwarz, kann er aussehen wie ein überdimensionaler Regenwurm, so lang, so dünn, so beweglich. Er kann watscheln wie ein Flußpferd und hüpfen wie eine Ballerina. Und dann singt er: "Wir nehmen unsere Sonne mit, hängen sie über der Bühne auf. Vielleicht schießen wir sie eines Tages kaputt und werden fürchterlich weinen."

Ein Liebeslied gerät zum Protest. Bei jedem >Ich liebe dicht< ohrfeigt er sich rhythmisch - pantomimischer Vorwurf gegen all die modernen Leute, vor den Herzen Sicherheitsschlösser hängen. "Ich will mir Gefühle leisten, manchmal auch Späße mit ganz wenig Sinn dahinter. Sie halten mich für einen Don Quichotte? Bitte sehr - es gibt nichts Sinnvolleres für mich, als gegen Windmühlenflügel zu kämpfen!"

Man kann Herman van Veen genial finden - oder unerträglich.

Aber ihn weder noch zu finden ,ist nicht drin.



Karin von Faber