Die W o c h e
Sabine Schroeder

Ein Narr unserer Zeit

6 dez 1984

Narr, (althochdeutsch) - Verrückter; Possenreißer, Spaßmacher, komische Figur; auch Hofnarr. Harlekin - Spaßmacher des (italienischen) Possenspiels. Posse - derb-komisches Bühnenstück. Alle diese Beschreibungen, einem Lexikon entnommen, passen auf Herman van Veen. Gerade deswegen macht er es dem Publikum und vor allem wohl den Kritikern immer wieder schwer, ihn einzuordnen, ihn in den Griff zu bekommen und überhaupt zu begreifen.


Die Vielseitigkeit Herman van Veens zieht sich durch sein ganzes bisheriges Wirken und Schaffen. Schon während des Musikstudiums am KonVersatorium in Utrecht zeigte er weniger seriöse Interessen. Er übte sich im Steptanz und gründete alsbald mit-seinem (mittlerweile) langjährigen Begleiter Erik van der Wurff eine Kabarettgruppe. Er studierte Geige, nahm 'Gesangsstunden und machte ' gleichzeitig sein Lehrerdiplom, um sein Einkommen zu sichern. Sein Tenor schien wie geschaffen für eine Sängerkarriere - Sänger wollte Herman van Veen auch werden.
Aber ihm hatten es die Chansons von Breli angetan, nicht die Oper. Nach dem Studienabschluß konnte van Veen mit seinem Debut-programm "Harlekijn" überzeugen. Weitere Soloprogramme folgten, er schrieb Bücher, darunter Kinderbüsen Zeitgenossen zu schlüpfen. Eine Fahne mit einem roten Fragezeichen schwingend, setzt er seine "Signale", um im nächsten Moment mit französisch-charmanten Akzent seinen "geliebten Geliebten" seine Lösung der Weltkrise vorzustellen. Ob nun Herman van Veen mit Holzschuhen auf der Bühne Walzer tanzt oder auf Schädeldecke und Wangen Bongos spielt - er verblüfft.

Ob er die erschreckende Nachricht "die Bombe fällt nie!" verbreitet oder die Frage der krebs- kranken Frau "Warum gerade ich?" stellt - er macht betroffen. Wenn er vom verkannten Propheten oder vom verschollenen Vater singt, kämpft er. Aber seine Kampfparolen sind sanft, seine Betroffenheit merkwürdig abstrakt und teilweise paradox, seine Verblüffung ist real und absurd zugleich.

Herman van Veen ist Lyriker, Liedermacher, Tänzer, Pantomime, Clown, Schauspieler, Musiker.. Kurz, ein' Narr unserer Zeit, weil er mit allem, was er tut, uns einen Spiegel vorhält. Man muß nur bereit sein, in den Spiegel hineinzuschauen, um das Verrückte - wie er - zu erkennen.



Sabine Schroeder