NATIONAL ZEITUNG (DDR)
Bettina Cain

Mahner, Liebender und noch viel mehr

Herman van Veen mit seinem neuen Programm in Berlin

6. Oktober 1989

Noch lange klingen die fast zuletzt gesungenen Verse in mir nach: „Ich hab ein zärtliches Gefühl für den, der den Mund auftut, für den, der sich zu Träumen traut, für jede Frau, für jeden Mann, für jeden Menschen, wenn er nur vollkommen lieben kann," Herman van Veen, der Mahner, der Liebende, der mit dem großen weiten Herzen für alle Menschen, Herman van Veen, der uns den Spiegel vorhält mit seinen kleinen gesungenen, gespielten,” gemimten Geschichten, die aus den Beobachtungen und Erfahrungen des Alltags resultieren und von großer symbolischer Lebensphilosophie sind.


Das Grobe und das Feine, der Slapstick und die kleine berührende Geste - alles hat in dieser Spannbreite seinen Platz bei ihm. Und all das war zu erleben in seinem neuesten Tour-Programm „Bis hierher und weiter", das Tausende mit mir am vergangenen Mittwochabend in der Werner-See-lenbinder-Halle sahen, hörten, in sich aufnahmen.
Begeistert von seinen Liedern, von denen viele Heinz Rudolf Kunze für ihn schrieb, begeistert von seinem Komödiantentum.

Er träumt Alpträume vom Eingeschlossensein und nicht mehr Hinauskönnen, inszeniert sein eigenes Sterben, sucht Liebe, gibt Liebe, erzählt und spielt Geschichten, z.B. die vom japanischen Herman San und seinem Abenteuer mit der Geisha, tanzt mit erotischer Michael-Jackson-Geste, gibt phantastisch eine Zeitlupenstudie „Boris Becker beim Tennis", spielt Geige, Mundharmonika, ist Clown, Zauberer, mal eitel, mal hektisch... Viel Laut-Mobiles dominierte diesmal im Programm. Deshalb beeindruckten mich seine zärtlichen Töne zwischendurch um so mehr, das Liebeslied „Möglicherweise ein Walzer" zum Beispiel.

Zum vierten Mal gastierte Herman van Veen in unserem Land, begleitet von einer Band, die ihm nicht nur musikalisch beistand. Ihm in einer Beschreibung allumfassend gerecht zu werden, ist schier unmöglich. Herman van Veen muß man erleben, hören und optisch in sich aufnehmen, wirken lassen. Es wäre gut, ihn bald wieder bei uns hören zu können.

Er hat so vieles, zu sagen.



Bettina Cain