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MICHAEL MILEWSKI

Ein Mensch hinter der Maske des Clowns

6 mrt 1984

Wie wird man diesem Künstler gerecht, ohne sich in einer Aufzählung seiner Talente zu erschöpfen? Wie beschreibt man ein "Konzert", das in seiner komplexen Vielfalt nicht nacherzählbar ist? Herman van Veen ist seit gestern wieder in Hamburg - mit einem neuen Programm, mit ungebrochener Faszination. Alle sechs Konzerte bis zum Sonnabend im Saal 2 des CCH sind ausverkauft; im November kommt der Holländer deshalb für weitere zehn Abende wieder.


Poet und Sänger, Pantomime und Clown: Bei Herman van Veen kann man lachen und weinen. Mit ganz einfachen Mitteln beschwört er Atomkriegsvisionen und Vereinsamung in der Masse, die Hoffnungslosigkeit eines Arbeitslosen und die Angst vor der Zukunft. Lichteffekte und Toncollagen untermalen seine lebenden Bilder.

Fast drei Stunden tobt Herman van Veen, der in der kommenden Woche 39 Jahre alt wird, über die Bühne, schont sich keine Sekunde, gibt immer alles.
Er ist ein Meister der Verwandlung, tauscht mit einem einzigen Requisit die Rollen. Höhepunkt: Eine Nena-Parodie, bei der van Veen nur Ohrclips und Stöckelschuhe braucht, um die Identität zu wechseln.

Sein Programm vereint engagierte Texte und poetische Liebeslieder, lebt vom ständigen Umschwung der Stimmungen. Van Veen agitiert nie, will keine "Botschaft" unter die Leute tragen. Ein mündiger Künstler kommuniziert mit einem mündigen Publikum: Ehrlichkeit ist seine Sache, er gibt sie, und er fordert sie.

Drei faszinierende Stunden mit einer Fülle von Einfällen machen die Begegnung mit Herman van Veen zu einem Erlebnis. Man folgt ihm durch Wechselbäder der Empfindungen. Hinter der Maske des Clowns verbirgt sich immer der verletzliche, empfindsame Mensch. Ein Mensch, der nie den Clown verleugnen will, der bei allem Ernst in ihm steckt.

Van Veen '84 - Triumph der Ehrlichkeit.



MICHAEL MILEWSKI