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Kolner Stadt Anzeiger
Uwe Pütz

Sanfte Entführung in eine phantasievolle Welt

Der Sporthallen-Auftritt von Herman van Veen

6 marz 1989

Mit verbundenen Augen kommt er auf die Bühne, steigt hinunter ins Publikum, ein Blinder unter den Sehenden, betastet die Besucher in der ersten Reihe und klettert zurück. Wenig später lehrt er die Besucher, eine andere Welt zu sehen, eine Welt der Clownerien, Parodien und Lieder, die Welt des holländischen Künstlers Herman van Veen. Nach über dreijähriger Pause ist das Multitalent wieder auf Deutschland-toumee. In der Kölner Sporthalle gab er jetzt zwei Konzerte.


Kölner Sporthalle? Ganz sicher ist dies der falsche, viel zu große Saal für ein solches Konzert. Dennoch gelingt es Hermann van Veen, eine fest intime Atmosphäre zu verbreiten. Schnell sind die etwa 2500 Besucher gebannt von diesem Künstler, der von einer Rolle in die andere schlüpft. Von dem Liedermacher Herman van Veen, der mit nachdenklichen Stücken wie „Nichts steht fest“ oder „Die Tage vergehen doch wie im Flug“ zum andächtigen Zuhören einlädt.

Ganz unverhofft verläßt er den Rahmen seiner musikalischen Ansprache, verwandelt sich in einen Harlekin, erheitert das Publikum mit clownesken Späßen und zieht es so in eine phantäsievolle Welt. Seine leuchtenden Augen sehen sehr genau, was draußen vor sich geht — doch scheut er sich nicht weiterzuträumen. Aus Stücken wie „Anne“ spricht zudem der Wunsch, die Realität ein wenig schöner färben zu wollen.

Rastlos springt er von Szene zu Szene: Nie weiß der Zuschauer, was ihn erwartet. Eine Tagung der Weltmächte steht an, doch auf dem Konferenztisch fehlt die holländische Nationalflagge. Also holt Hermann die/ Fahne seines Heimatlandes he/ vor und schwenkt sie in patriotischem Eifer. Zum letzten Mal. Zwei Silberkugeln stoßen zusammen, ein großer Knall dröhnt aus den Lautsprechern. Das Schauspiel endet in einer bösen Parodie: „Aids und HIV, anderswo der Hungergau, don' t worry, be happy“.

Der große Künstler Herman van Veen, der so viele Formen des Ausdrucks beherrscht, ist sich nicht zu schade, seine Zeitkritik auch in plakative Worte zu fassen. Meist aber spricht er gleichsam zwischen den Zeilen, spielt mit Andeutungen und verführt das Publikum mit seinem sanften Charme.


„Ich hab ein zärtliches Gefühl“, singt er zum Abschluß — und viele der 2500 Besucher hält es nicht mehr auf ihren Sitzplätzen.



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