Die Glocke
Doris Witte

Ein zärtliches Gefühl für den,
der den Mund auftut

5 dez 1981

Keine rockige Glitzer- und Glimmershow, keine überdimensionalen Lautstärken, keine geballte Faust, dafür aber perfektes Theater, Pantomime, Tanz, Parodie, leise, eindringliche Musik. Lieder, die kritisch sind, die Bedrohliches zeigen, ohne Hoffnungen zu zerstören. Er träumt mit der gleichen Ausgiebigkeit und Hingebung wie er seine Ängste formuliert.


Herman van Veen, Entertainer, Liedermacher, Routinier und dufter Typ, blondgelockter Clown aus Holland, ist auf Deutschlandtoumee'. Münster und Bielefeld waren zwei Stationen seiner umjubelten Tour. Die Resonanz blieb überall gleich, stürmische Begeisterung für einen Mann, der gerne mit anderen, aber nicht über sie lacht, für einen Sänger, der Stimme und Köpfchen hat, der im fliegenden Wechsel vom erstklassigen Spaßmacher zum lebendigen Zeigefinger wird. Er singt für Frieden und Freiheit, für den einzelnen und für alle, trifft stets auf wunde Punkte.

Mit Witz, Einfallsreichtum und Charme lockt er sein Publikum aus der Reserve, führt es behutsam aufs Glatteis und läßt es dort verdutzt stehen. Wer gerade befreit und amüsiert auflachen will, dem bleibt das Lachen prompt im Hals stecken, so plötzlich verändert sich der Sinn von van Veens Worten. Betroffenheit macht sich breit, die bewußt nicht aufgefangen wird. Im Gegenteil, als "realistischer Ootimist" lebt er sie aus. Mit umwerfender Gestik und Mimik, mit Akrobatik, mit Pausen, die unendlich still und bedrückend wirken, reizt er. Er will Mut machen, Mut, nicht alles schweigend hinzunehmen, mal "nein" zu schreien, mal sich selbst zu zeigen.

Es gibt wohl keinen, der zur Zeit so bedingungslos Selbstdarstellung fordert und vermittelt wie dieser Holländer. Falsche Propheten entlarvt er, nervtötende Kraftprotze verachtet er. Seine Texte sind bissig, aber nicht ätzend, sie stellen selbstverständlich gewordene Widerwärtigkeiten ins grelle Scheinwerferlicht, um darunter nach verlorengegangenen Träumen zu suchen. "Ich hab' ein zärtliches Gefühl für den, der sich zu träumen traut", "Komm schon", "Hörst du nicht den Trommler, der heimlich in dir schlägt" sind nur wenige Zeilen aus seinen Liedern. Aber sie verraten viel von ihm und auch von seinem Publikum.

Es ist keine bestimmte Altersgruppe, die van Veen anspricht, Gemeint sind alle, Kinder, Teenies, Twens und Erwachsene. Verstehen kann ihn jeder.

Und weil die beiden in Bielefeld und Münster so gut angekommen sind, gibt's Wiederholungen, am 13. Februar in Bielefeld, am 15. Februar in Münster.



Doris Witte