Die Woche
Christine Riedl

Herman van Veen im Audimax

"Ich bin ein Clown"

5 nov 1981

Ganz in Weiß gekleidet betrat er den Saal durch einen Seiteneingang und bahnte sich durch das Publikum seinen Weg zur Bühne. Dieser erste Auftritt sprach bereits für den ganzen Abend, denn Herman van Veens lyrische Lieder, seine Erzählungen, Pantomimen und Aktionen hatten vor allem eine hohepriesterliche Botschaft: Ich bin einer von euch. Macht es wie ich. Glaubt an euch! Bekämpft die Angst!


Seine nicht alltägliche Art die Fans in seine Show miteinzubeziehen, bannte schon nach den ersten Minuten den Großteil der etwa 800 Besucher. Mit affenartiger Gewandtheit setzte der 36jährige über mehrere Parkettreihen, um dann mit einer voluminösen Damenhandtasche als Beute hinter der Bühne zu verschwinden. Offensichtlich betrübt über den eigenen blanken Kopf, fühlte er sich von fremder Haarpracht vor sich angezogen. Nein, man konnte sich nicht sicher fühlen auf dem Zuschauerplatz in der Dunkelheit. Herman van Veen verlangte Gesichter zu sehen und kaum einer verließ wohl diesen Raum ohne berührt zu werden auf irgendeine Art.

Sein Verhältnis zur Musik, in ausgedehnten, manchmal zu langatmigen Pantomimen vorgeführt, ist bestimmt durch eine, auch alle anderen Äußerungen durchdringende Sehnsucht nach kindhafter Ursprünglichkeit. "Ich bin ein Clown, ein Harlekin", sagte er von sich und schafft sich damit einen Freiraum von Toleranz, in dem er es sich auch schon mal erlauben kann, die Einseitigkeit des Publikums anzugreifen. "Harlekijn" nennt sich ebenfalls die eigene Produktionsfirma und das Kulturmagazin, das seit Frühjahr 1980 auch in Deutschland erscheint. Aus allem spricht sein kompromißloses Engagement für Individualität, gegen einen übermächtigen Markt. Komponist Erik van der Wurff begleitete die Balladen am Klavier, deren deutsche Texte von Thomas Woitkewitsch stammen und die vom Unverständnis, von der Gleichgültigkeit gegeneinander, von Einsamkeit und Träumen erzählten. Stücke seiner Doppel-LP "Heute Abend" begrüßte das Publikum mit Kenner-Applaus, den Herman van Veen in formeller Dankespose oder schüchtern-geziert scheinbar ein wenig mißtrauisch entgegennahm.

Viel war an diesem Abend von dem aufgeschlossenen, engagierten Flair, das für die Kunstszene der Niederlande typisch ist, zu spüren.



Christine Riedl