General-Anzeiger (Bonn)
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„Die Gewalt wird immer stärker“

5 okt 1985

INTERVIEW MIT DEM LIEDERMACHER UND POETEN HERMANN VAN VEEN

Was Hermann van Veen singt und sagt, trifft, macht betroffen, ohne zu verletzen. Einordnen kann man den sympathischen Holländer nur schwer. Seine Vorbilder dürften französische Entertainer eher sein als amerikanische Showgrößen.



Er sieht sich in erster Linie als Entertainer, doch hat seine Art, Menschen unterhalten zu wollen, einen Unterton, den man bei den meisten Künstlern dieses Genres vergebens sucht. Daß er ebenso ein Humanist ist wie ein Pazifist, weiß man seit langem. Und Hermann van Veen ist ein absoluter Meister der leisen Zwischentöne. Er ist ein Poet und Märchenerzähler. Wir trafen den großen Blonden mit den vielen Ideen, als er sich kürzlich zu Fernsehaufnahmen in Hamburg aufhielt.

Frage: „Wenn man an den Song „Die Wechsler“ von Deiner aktuellen LP „Auf dem Weg zu Dir“ denkt, kann man sich gut vorstellen, daß Du Dir nicht nur Freunde machst!“

Van Veen: „Damit muß man sich zeit seines Leens abfinden! Ich versuche trotzdem, so realistisch wie möglich zu sein und habe das Gefühl, was das Song — Beispiel „Die Wechsler“ betrifft, daß zwei Großmächte die Welt einfach unter sich aufgeteilt haben. Ich finde das höchst bedenklich und bin damit nicht einverstanden. Versuche jedoch auch nicht diese Dinge zu polarisieren oder zu politisieren, sondern einfach nur zu sagen, daß Gewalt die Eigenschaft besitzt langsam aber sicher immer stärker zu werden. Allein £ie Geschichte sollte uns das lehren. Als Clown, Sänger, Komödiant Entertainer oder was immer stelle ich fest, daß jeden Tag mehr Waffen kommen. Ich bin dagegen und meine, daß wir nur dann eine Zukunft haben, wenn wir uns .entrüsten1.“

Frage: „Siehst Du Deine wichtigste Aufgabe eigentlich darin, den Menschen den Spiegel vorzuhalten?“

Van Veen: „Nein. Tief in meinem Innern bin ich eigentlich ein sehr optimistischer und fröhlicher Mensch, aber die Realität nimmt einen so starken Einfluß auf das, was man sein könnte. Man wird jedenfalls oft genug wahnsinnig frustriert durch das, was man sieht, liest oder sonstwie erfährt Daraus ergibt sich dann, daß man sich fragt ob i Glück überhaupt möglich ist. Wenn man eine Zeitung liest, und man liest sie wirklich, kann man j am besten gleich zu Hause blei- I ben, denn überall draußen ist es ! ausgesprochen lebensgefährlich.“

Frage.: „Nun noch etwas zu Deinem neuen Projekt „Alfred Jodocus Quak“, das Du im August in Hamburg erstmalig auf die Bühne bringen willst.“

Van Veen: „Quak‘ ist eine j Parabel für Kinder und Erwach- j sene, eine Geschichte von einer Ente, die eines Tages in der Zeitung liest, daß es Länder ohne Wasser gibt Sie versucht daraufhin — zusammen mit einem Maulwurf —, einen Graben zu einem Land ohne Wasser zu graben. Mit von der Partie dabei sind das Große Wasserländische Sinfonieorchester mit 60 Musikern und meine Band, ,Quak‘ ist ein sinfonisches Märchen. Die Menschen, die das Stück sehen, sollen einfach einen hoffentlich schönen Abend haben — Entertainment und vielleicht den Denkanstoß, daß das, was Ente und Maulwurf können, sie möglicherweise auch tun können. Das ist alles.“



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