Schwäbische Post
Manfred F. Kubiak



Die große Show des Herman van Veen

Ein Mensch, der trotzdem lacht

5 okt 1984



Wer ist das, der aus 1500 brav zuhörenden und wie immer schwer erregbaren Schwaben binnen dreieinhalb Stunden ein richtiggehend gefräßiges, acht Zugaben erlärmendes Äuditorium macht? Der an einem stinknormalen Mittwochabend, kurz vor Mitternacht, lauter verzückte und rundum glückliche Ostalb-Menschen aus dem Gmünder Stadtgarten komplimentiert. Der es schafft, daß die in mehreren Hundertschaften angereisten Nachbarn aus Aalen einer schnell improvisierten kleinen Hymne auf Gmünd, den Ort des so erfolgreichen Auftretens, beistimmend zujubeln. Es ist ein Holländer - es ist Herman van Veen.



Wer ist Herman van Veen? Im Grunde ist er ein Liedermacher. Da gibt’s nun wieder eine ganze Menge davon, und den meisten dieses Genres reicht das, was sie sind. Herman van Veen reicht es nicht. Deshalb ist er Liedermacher - Chansonier -Clown- Pantomime-Harlekin-Violinist - Tenor - Schauspieler - Parodist - Friedensbewegter - (Nach)Rü-stungsgegner- Komponist- Kindernarr - Pianist - Illusionist - Tänzer... ganz einfach Herman van Veen.

Die Show des Tausendsassas aus dem Land, das „einfach ganz klein und dazwischen herumliegt“, lebt von der unheimlich starken, allgegenwärtigen Ausstrahlung dieses doch nicht greifbaren van Veens.
Eine Ausstrahlung, die sich, dick wie Rübensirup, bis in die letzte Ecke des Saales vorschiebt, den Menschen einen wohlig-warmen Schauer über den Rücken rieseln läßt.

Vielleicht liegt das Geheimnis dieses Multitalents aber augh nur schlicht und ergreifend in der Tatsache, daß van Veen in all den Jahren seines erfolgreichen Daseins in dem Geschäft, das das Wörtchen Show vor sich herschiebt, glaubwürdig geblieben ist. Der letzte im Saale spürt: Da steht nicht nur einer auf den Brettern da oben herum, weil es ein Produzent, ein Manager oder irgendein Trend so will. Sondern: Der 39jährige mit den wenigen Haaren steht auf der Bühne, weil er gar nicht anders kann.

Er kann nicht anders. Er muß tanzen, muß singen, muß musizieren. Er kann den Mund nicht halten zu menschenunwürdiger Massenarbeitslosigkeit, Raketen Wäldern, Süd- und Mittelamerika, Diktaturen. Er weiß, daß es vielleicht naiv ist, aber er singt und tanzt dagegen an - egal ob es jemanden paßt oder nicht.

Herman van Veen, ein Motzer? Gute Güte, nein. Van Veen wäre nicht van Veen, besänge er nur larmoyant die wachsenden Unbilden dieser Welt. Er predigt keine Resignation. Er will zwar sehr erschrekken, natürlich auch nachdenklich machen. Starr machen aber, das will er nicht.

Dem ist schon der Spaß vor, den van Veen (und seine hervorragende Band) trotz oder gerade deshalb in so unnachahmlicher Manier verbreitet. Spaß an der Bewegung, Spaß an der Musik, Spaß am Leben, den van Veen wie kaum ein anderer ins Publikum werfen kann. Eben , weil es ihm selbst am meisten Spaß macht.

Und deshalb kommt ein Herman van Veen selbst nach dem achten Vorhang noch unter der Dusche hervor, um, wie in Schwäbisch Gmünd geschehen, in einen Bademantel gehüllt, den tobenden Fans zu versichern:

„Es hat Spaß gemacht“. Hat es.



Manfred F. Kubiak