Neue Zeit
Eva Schäffer

Liedermacher Herman van Veen gastierte in Graz

Die Träume eines großen Kindes

5 mrt 1984

„Herman, der ,Mann mit der spiegelnden Glatze', war hoffentlich nicht das letztemal in Graz“, schrieb Walter Titz im April des Vorjahres in seiner euphorischen Rezension auf der Kulturseite der NZ über Herman van Veens erstes Gastspiel in Graz. Wohl gesprochen. Am Sonntag ist der jetzt vierzigjährige Utrechter, begleitet von seinen brillanten Musikern, wieder dagewesen und begeisterte wie damals Alleskönner aus im April sein Publikum. Voll besetzt war der Stephaniensaal.


Einen solchen Vielkönner sieht und hört man selten: Ein wunderbarer Clown, ein perfekter Pantomime, ein wohlgeschulter Stimmakrobat und exzellenter Musiker, der meisterlich die Balance zwischen Komik und Tragik hält.
Dieser Mann nutzt - und das macht ihn so außergewöhnlich - sein phänomenales Können nicht zur Berauschung seines Publikums. Er verkündet keine Botschaften, gibt keine Antworten, er stellt vielmehr alles immer wieder in Frage. Sogar die lautstarke Zustimmung, die ihm entgegenbrandet, indem er den Applaus zu dirigieren, zu steuern beginnt, und gehorsam machen die meisten im Saal mit.

Die politischen wie lyrischen Texte des Herman van Veen haben jene kluge Einfachheit, die raschen Zugang findet in die Köpfe der Zuhörer, sie sind, wie er selbst sagt, manchmal allzu naiv. Dann und wann klingt es so, als erzähle da ein Kind, also ein Mensch, der seine Äußerungen nicht vorsichtig abwägt, von seinen Träumen - und besitze noch einen Rest von Hoffnung auf deren Erfüllung.

Aber jedes Aufkommen falscher Sentimentalität verhindert der Künstler rasch.' Wie ein roter Faden zieht sich sein Bestreben durch sein Programm: die vielen, die ihn sehen und hören, zum Nachdenken zu zwingen, nein, besser: zu verfuhren.

Einem solchen Künstler müßte das eigentlich gelingen.



Eva Schäffer